Carrotmob in Berlin

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Gestern Abend bekam ich von Ina von den Blogpaten per Twitter-DM den Hinweis auf den Verweis zum Hinweis auf den Termin und den Ort des zweiten Berliner Carrotmobs. Warum genau diese umständliche Kommunikation, liebe Ina, war mir nicht so 100%ig eingängig. Aber warum nicht mal über zwei Banden?
Jedenfalls freue ich mich auch hier kundtun zu können, dass das Berliner Carrotmob-Team einen willigen Imbiss ausgemacht hat, für den sich der doch beträchtliche Aufwand lohnt. Der zweite Berliner Carrotmob findet am 24.10. im eve&adam’s in der Rosa-Luxemburg-Str. 24-26 statt. Der Imbiss hat den Zuschlag bekommen, weil er erstens in der Berliner Mitte liegt (wo die meisten Berliner Aktionen stattfinden) und die Betreiber zweitens grandiose 45% Umsatzes vom Carrotmob-Tag in die nachhaltige Energieeffizienz des Ladens investieren werden.
Doch halt mal! Sind an dem Tag nicht noch andere Veranstaltungen angesagt? Findet da nicht auch so eine Art stumme Loveparade mit 350 Kopfhör-Ravern und eine verrückte Motto-Party mit Taucherbrille und Schnorchel statt? Ja, genau! Der 24. Oktober ist der World Climate Action Day und es gibt nicht nur zwei Aktionen in Berlin, die auf den bevorstehenden Klimakollaps — und entsprechende Gegenmaßnahmen — aufmerksam machen wollen. Insgesamt sind in derzeit 161 Ländern 3559 Aktionen angesagt (Stand 18.10.09; 13:00h). Den kommenden Samstag würde ich mir also frei halten.
View Actions at 350.org
Aber zurück zum Carrotmob. Gehört habe ich von der Aktion, die schon einmal hier in Berlin gelaufen ist, in einer Session auf dem diesjährigen Socialcamp. Da mich bekanntlich die Freiwilligenarbeit über das Internet sehr interessiert, freute es mich zu hören, dass das zu der Zeit doch recht übersichtliche Orgateam sich hauptsächlich über das Internet verständigt — also die eigentliche Arbeit im Engagement (die Vorbereitung, Planung, Öffentlichkeitsarbeit etc.) online abgewickelt wird.
Damit fällt die Organisation des Carrotmob also unter die ehrwürdige Kategorie „Beispiele für das Online-Volunteering“ und soll nun dementsprechend auch näher betrachtet werden.
Zunächst einmal: Was ist das, ein Carrotmob?How Organized Consumer Purchasing Can Change Business from carrotmob on Vimeo.
Ganz der Tagesthemen gemäß, die Flashmob mit „Blitzauflauf“ übersetzten (Spreeblick berichtete), müsste man Carrotmob mit Möhrenauflauf übersetzen. Das klingt für den einen oder die andere lecker, ist der Hermeneutik nach aber nicht essbar. Viel eher meint der Carrotmob einen Mob, also die Ansammlung von Menschen, die einer Möhre nachlaufen oder selbige als Objekt der Begierde anderer in Händen halten.
Beides ist denkbar, doch eigentlich nur letzteres gemeint. Die lokale Wirtschaft — im Falle des anstehenden Möhrenauflaufs, der Imbiss eve&adam’s — ist der Esel, der den Karren ziehen muss, der Mob hält ihm dafür die Möhre vor die Nase. Schmeichelnd wird diese Aktion von den Macherinnen und Machern als positive Verstärkung und Empowerment des Mittelstandes bezeichnet, etwas ruppiger ausgedrückt könnte man sagen, dass die Wirtschaft wieder zu dem gemacht wird, was sie eigentlich ist: Bedürfnis- und Wunschbefriedigerin der Kundinnen und Kunden.
Energieeffizienz ist also das Ziel, Konsum das Mittel und Netzwerkaktivierung die Methode.
Am 24. Oktober sind alle Berlinerinnen und Berliner (von Außerhalb bitte nur mit dem Fahrrad anreisen) aufgerufen, einen leckeren Imbiss bei eve&adam’s in der Rosa-Luxemburg-Str. 24-26 einzunehmen, den CO2-Ausstoß des Ladens nachhaltig zu senken und in den Genuss eines der günstigen 350-Cent-Angebote zu kommen. Doch wo, könnte man jetzt fragen, wird hier Online-Volunteert (?!) die Leute treffen sich doch ganz real.
Schon seit geraumer Zeit predige ich gern, dass Netzwerkarbeit Zeit und damit wichtige Ressourcen kostet. Ein interessanter Blogbeitrag schreibt sich nicht von selber, Bekanntschaften und das Wissen um Leute, die einen unterstützen (Soziales Kapital), wollen geknüpft, gehegt und gepflegt werden und das ständige Trail-&-Error-Lernen im ewigen Beta des Web 2.0 macht die Sache auch nicht billiger. Kurzum: Die Netzwerkarbeit über das Web braucht Geduld, Ausdauer und eine gehörige Portion Humor, die vielen Leuten einfach fehlt.
Nicht so die Organisatorinnen und Organisatoren des Carrotmobs. Ihnen fehlt weniger die Ausdauer und Geduld als die Zeit. Sie engagieren sich ehrenamtlich für diese Idee und haben mit den Mitteln des Social Webs auch schon einiges erreicht: Auf der Website der Berliner Aktion ist zu lesen, dass der Späti, der man für den ersten Carrotmob in Berlin ausgesuchte, nicht nur CO2-effizient ausgerüstet wurde, sondern nun auch für mindestens fünf Jahre Ökostrom von Greenpeace bezieht.
Zudem gibt es zur Aktion nächste Woche je eine gut gepflegte Facebook- und StudiVZ-Gruppe, ein MySpace-Profil und einen Twitteraccount. Angesichts der Tatsache, dass es traditionelle Nonprofits in Deutschland selten schaffen einen Social-Media-Kanal regelmäßig zu pflegen (siehe Katrin Kiefer), wird hier doch deutlich, was zu Beispiel Freiwillige über das Internet zu leisten im Stande sind.
Nicht nur um dieses Online-Engagement anzuerkennen, sondern auch um am World Climate Action Day für den Klimawandel zu sensibilisieren und dabei zusätzlich nette Leute zu treffen, sind Sie / bist Du aufgefordert alle deine Kumpels und Freundinnen mit zu einer der vielen Aktionen zu nehmen, die am 24.10.2009 überall auf der Welt gestartet werden. Wenn dich das allerdings alles gar nicht interessiert, weil dir nicht nur die Malediven egal sind, sondern auch das ganze Ökogelaber ein bisschen Banane vorkommt, dann versuch’ doch am kommenden Samstag mal der Zahl 350 aus dem Weg zu gehen. Viel Spaß!

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