Wenn eine:r einen Antrag schreibt – Tipps zum Lesen von Förderrichtlinien

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Wenn mich jemand vor zehn Jahren gefragt hätte, womit ich später mal so meine Zeit verbringen will, ich wäre nicht auf die Idee gekommen, es könnten einmal Förderanträge werden. Heute ist das anders – zumindest dann, wenn es um Förderanträge zu Themen geht, die die engagierte Zivilgesellschaft umtreiben: gesellschaftlicher Zusammenhalt, Digitalisierung, Klimawandel und so etwas. Für mich sind Förderanträge ein steter Quell aufschlussreicher Einblicke in die engagierte Praxis, der in der Ehrenstiftung DSEE wohl nicht so schnell versiegt.

Journals, Sammelbände, Blogposts und Beiträge in den Sozialen Medien lese ich natürlich auch. Die Qualität ist aber definitiv eine andere! Wenn eine:r einen Antrag schreibt, tut er oder sie dies nicht, um Einblicke in die engagierte Praxis zu geben. Förderanträge werden geschrieben, um Geld für bestimmte Vorhaben zu bekommen. Und genau das war ein Grund, warum ich hier im Blog schon mal ein paar Tipps für gute Antragstexte aufgeschrieben habe. Gute Antragslyrik aber ist das eine. Eine ganz andere Sache sind Förderrichtlinien.

Die verdammten Formalitäten, die ich das letzte Mal so nonchalant weggelassen habe, stellen sich immer wieder als verdammt hohe Hürde auf dem Weg zur Förderkohle heraus. Und deshalb soll es hier genau darum gehen: um die verdammten Formalitäten und was man dazu in Richtlinien lesen kann.

Ganz so einfach ist das Thema natürlich nicht! Ich kann hier nur von Richtlinien für Förderungen aus öffentlicher Hand schreiben. Und eigentlich auch nur von denen der DSEE berichten. Gleichwohl hoffe ich aber, dass es dem oder der geneigten Antragsteller:in ein bisschen hilft, sich an die verdammten Formalitäten heranzupirschen.  

Obligatorischer Disclaimer: Ich bin kein Jurist und auch kein ausgebildeter Experte im weiten Feld des Zuwendungsrechts. Im Zweifel könnt ihr euch also leider nicht auf diesen Text hier berufen. Sorry!  

Basics: Gemeinsam. Nicht gegeneinander!

Dass Förderanträge auf eine Partnerschaft zielen sollten, habe ich schon das letzte Mal geschrieben. Ich will es ich hier gleich zu Beginn wieder betonen: Wer mit achtungheischender Anspruchshaltung oder “Wir-Gegen-Die-Mindset” in die Antragstellung startet, wird es schwer haben.

Ein Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung besteht nicht.

So oder ähnlich zumindest steht es in jeder Förderrichtlinie, die ich kenne.

Was das “Wir-Gegen-Die-Mindset” anbelangt, sollte man sich einerseits vor Augen führen, dass Förderrichtlinien eigentlich so etwas wie die veröffentlichten Spielregeln der Verwaltung darstellen. Mitarbeitende der fördernden Institutionen müssen sich daran halten. Ja! Förderrichtlinien sind “Verwaltungsvorschriften” und haben deshalb eigentlich nur eine Innenwirkung. Nach außen – auf Antragsteller:innen – wirken sie insofern, als sie die Regeln offenlegen, nach denen der Fördermittelgeber spielt. Selbstverständlich kannst du auch ein anderes Spiel spielen. Schach und Dame machen auf ein und demselben Brett aber irgendwie keinen Sinn.

Man sollte sich andererseits vor Augen führen, was für Fördermittelgeber:innen mit so einer Förderrichtlinie verbunden ist. Da hängt nämlich einiges dran! Ohne den festen Willen, öffentliche Mittel als Förderung zu vergeben, ist eine Förderrichtlinie nicht zu machen. Die Paragraphen 23 und 44 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) und die dazugehörigen allgemeinen Verwaltungsvorschriften (VV-BHO), die in so ziemlich jeder Förderrichtlinie der öffentlichen Verwaltung erwähnt werden, mögen harmlos aussehen. Aber dieser Eindruck täuscht! Was sich wirklich dahinter verbirgt, kann man sich im Band des Präsidenten des Bundesrechnungshofes zu typischen Mängeln und Fehlern im Zuwendungsbereich anschauen. Eine wahrlich teutonische Schrift und ein Zeugnis möglicher Gründe für teils erdrückende Akribie, Risikoscheue und Klugscheißerei der öffentlichen Verwaltung.

Tipps zum Lesen von Förderrichtlinien

Förderrichtlinien lesen ist kein vergnügungssteuerpflichtiges Unterfangen. Trotz allem Bemühen um Zugänglichkeit und Bürgernähe sind und bleiben Richtlinien Verwaltungsvorschriften. Sie werden also für die Verwaltung geschrieben und drehen, bevor sie veröffentlicht werden, diverse Schleifen – unter anderem über den Bundesrechnungshof (§ 44 Nr. 1 Satz 4). Die Mühe lohnt sich aber, denn der oder die geneigte Antragsteller:in findet darin allerhand relevante Informationen.

Orientierung zum Lesen von Förderrichtlinien bietet der übliche Ablauf eines Förderprojektes – von der Antragstellung und -prüfung über die Ent- beziehungsweise “Bescheidung” und Projektabwicklung bis zur allseits geliebten Verwendungsnachweisführung.

Prozess: Vom Förderantrag zur Verwendungsnachweisführung

1. Antragstellung: Mind the Zweck

Nach dem üblichen Geplänkel zu den Paragraphen 23 und 44 BHO und den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften folgt in so ziemlich jeder Förderrichtline die Info, wer und was da eigentlich gefördert werden soll. Hier lohnt es sich genau hinzuschauen:

Was soll eigentlich gefördert werden und warum?

Die Förderzwecke werden in der Regel SMART formuliert – spezifisch, messbar, angemessen, realistisch und terminbezogen.

Quelle: Der Präsident des Bundesrechnungshofs 2016: 28

Diese Art SMARTe Darstellung dient eigentlich dazu, das jeweilige Förderprogramm später evaluieren zu können, ist aber auch für das Verständnis des Förderzwecks ganz praktisch: Nebst des präzisen Förderziels erfährt man hier nämlich auch, wie etwaige Förderprojekte wirken sollen (z.B. durch Schulungen). Außerdem kann man erkennen, was als angemessen und realistisch im gesetzten Zeitrahmen erachtet wird. Heißt es da zum Beispiel, dass Förderprojekte in besonderem Maße zu einem gesetzten Ziel (z.B. der Gestaltung des digitalen Wandels) beitragen sollen, werden Wirkungsziele, die nicht über die Organisation selbst hinausreichen (z.B. Organisationsentwicklung zum papierlosen Vorstandsbüro) schlicht nicht ausreichen.

Auch findet man in Förderrichtlinien die Info, wer da eigentlich gefördert werden soll beziehungsweise wer antragsberechtigt ist und wer nicht: juristische oder natürliche Personen des öffentlichen oder privaten Rechts; Gebietskörperschaften, Parteien, Anstalten; vielleicht auch rechtsfähige Zusammenschlüsse privatrechtlicher juristischer Personen; mit oder ohne Gemeinnützigkeit etc. pp. Hier ist Sachverstand gefragt! So als Daumenregel: Wenn du deine Organisation im Handels- oder Vereinsregister findest (Das kannst du auf handelsregister.de kostenlos herausfinden.), dann handelt es sich wahrscheinlich um eine juristische Person des privaten Rechts. Wenn du überdies einen aktuellen Freistellungs- oder Feststellungsbescheid vom Finanzamt hast, gehörst in die Kategorie gemeinnützig.

2. Antragsprüfung: Map the Road

Neben dem Grundsatz zum wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz öffentlicher Mittel enthalten Förderrichtlinien auch Regelungen, die den Grundsatz der Gleichbehandlung von Antragsteller:innen sicherstellen. Die Darstellung des Verfahrens, nachdem die Förderanträge geprüft werden, gehört genau wie Offenlegung der formalen und inhaltlichen Kriterien für die (Besten-)Auswahl in diese Kategorie.

Zunächst kurz zum Antragsverfahren: Hier gibt es unterschiedliche Varianten – mit oder ohne Interessenbekundungsverfahren, Prüfung nach Eingang (das sog. „Windhundprinzip“), Prüfung nach Ende des Antragszeitraums und einiges mehr. Auch wenn Verwaltungsabläufe kein sonderlich beliebtes Thema sind (Außer natürlich in der Verwaltung!) solltest du sie beim Lesen von Förderrichtlinien im Blick haben. Das stärkt die Empathie und kann dir später ein böses Erwachen ersparen. Schlägt eine Verwaltung nämlich einmal einen bestimmten Weg ein, ist sie davon kaum mehr abzubringen.

Wenn eine:r einen Antrag schreibt, sind die inhaltlichen Antragsprüfkriterien natürlich viel spannender als die öden Verwaltungsabläufe. Sie geben schließlich wertvolle Hinweise zur Antragslyrik – etwa zu Keywords, die im Antrag vermeintlich auftauchen müssen. Mein Tipp an dieser Stelle: Nimm die verdammten Kriterien ernst! Sie sind zu wichtig, als dass du die bloßen Wörter wie Streuobst über deinen Text verteilen solltest. Wenn in den Kriterien zum Beispiel etwas von „Wirkungslogik“ steht, geht es um einen nachvollziehbaren Zusammenhang von Output und Outcome, Maßnahmen und angestrebten Veränderungen. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang, nicht allein durch schöne Worte.

3. Entscheidung: Formal brachial

Die Entscheidung, ob dein Projekt gefördert wird oder nicht, wird in der öffentlichen Verwaltung in der Regel nach einem mehrstufigen Prüfprozess getroffen. Dabei sind neben den inhaltlichen Prüfkriterien auch formale Kriterien relevant. Auch diese verdammten Formalitäten solltest du im Blick behalten. Sie sind nicht selten die K.O.-Kriterien für deine Projektförderung:

  • Eignung des Antragstellers: Neben der Antragsberechtigung (s.o.) wird auch geprüft, ob das Fördervorhaben eigentlich zum Satzungszweck passt. Darfst du also die Mittel überhaupt so ausgeben, wie du es dir vorgenommen hast?
  • Wirtschaftlicher und sparsamer Mitteleinsatz: Beachtest du verwaltungstechnische Eigentümlichkeiten wie das „Besserstellungsverbot“ oder das „Verbot des vorzeitigen Maßnahmenbeginns“? Bewegen sich veranschlagten Honorarkosten im Rahmen des Üblichen und sind die geplanten Anschaffungen wirklich notwendig?
  • Förderfähige Ausgaben: Fallen deine geplanten Ausgaben überhaupt in die Kategorie „förderfähige Ausgaben“ oder stehen sie auf irgendeiner ‚schwarzen Liste‘?

Außerdem werden bei der Entscheidung über die Förderung oft auch noch weitere Kriterien berücksichtigt, auf die du keinen direkten Einfluss hast. So etwa die geographische Verteilung. Eine Bundesstiftung, wie die DSEE eine ist, muss bundesweit wirken. Das gilt auch für ihre Förderungen. Wenn sich also sehr viele Anträge aus Großstädten wie Berlin gestellt werden, steigt dort der Konkurrenzdruck, wohingegen er im Saarland vielleicht eher so mäßig bleibt und in Bremen eventuell gegen Null läuft.

4. Projektabwicklung: Budget c’est moi

Für die Projektabwicklung enthalten Förderrichtlinien Hinweise etwa zur maximale Förderhöhe, also der Obergrenze für den Zuschuss, den du überhaupt beantragen kannst, und der zusammen mit deinen Eigenmitteln das Gesamtbudget für dein Projekt bildet. Auch findest du hier Hinweise darauf, was du als Eigenmittel überhaupt einbringen darfst – bare Eigenmittel sind die Regel, manchmal dürfen es aber auch unbare oder gar fiktive Eigenmittel wie Arbeitszeit von Engagierten sein. Ausgeschlossen werden häufig „Doppelförderungen“ also die Co-Finanzierung aus unterschiedlichen Förderprogrammen der öffentlichen Hand.

Ebenso relevant sind hier natürlich die allgemeinen Nebenbestimmungen zur (Projekt-) Förderung, kurz „ANBest“. Bei öffentlichen Zuwendungen für Projekte an juristische Personen des privaten Rechts (also die, die i.d.R. Vereins- oder Handelsregister zu finden sind) kommt die ANBest-P zum Einsatz. Diese vier DIN-A4-Seiten Förderbürokratie werden leider viel zu oft als eine Art ‚Beipackzettel‘ zum Zuwendungsbescheid beiseitegelegt. Schade! Denn in der ANBest steht eigentlich alles drin, was man zur Projektabwicklung wissen muss: Wie funktioniert das mit dem Mittelabruf? Inwiefern kannst du von deiner Budget-Planung abweichen? Welche Regeln gelten für Vergaben? usw.

Dass all diese nützlichen Hinweise in der ANBest drinstehen, macht es umso bedauerlicher, dass der Text so umständlich geschrieben ist. Zum Glück gibt es bei der DSEE den digitalen ANBest-P-Escape Room.

5. Abrechnung: Doku voraus

Zu guter Letzt stecken auch zur Abrechnung beziehungsweise „Verwendungsnachweisführung“ wichtige Infos in Förderrichtlinien und den Texten rings herum, in FAQs oder Förderleitfäden. Hier kann man zum Beispiel nachschauen, wie die Outputs oder Maßnahmen im Projekt dokumentiert werden müssen. Das mag auf den ersten Blick erst für die operative Arbeit nach der Bewilligung relevant sein, avanciert mithin aber auch zu einem grundsätzlichen Problem: Wenn zum Beispiel für die Teilnahme an Angeboten innerhalb deines Projektes die Bedürftigkeit nachgewiesen werden muss, stellt sich die Frage, ob du derart diskriminierendes Zettelwerk überhaupt ethisch vertreten kannst und also vielleicht doch lieber die Finger von der Staatskohle lassen solltest.

Fragen an die Richtlinie stellen

Ich denke, es ist bis hierher deutlich geworden, dass in Förderrichtlinien und den dazugehörigen Förderleitfäden und FAQs viel drinsteckt, was beim Antragschreiben helfen kann. Das Problem: Die Texte machen keinen Spaß. Ganz im Gegenteil! Es macht große Mühe, sich da durchzuwühlen. Und hinterher fühlt man sich selten viel schlauer. Das ist wirklich großer Mist! Bevor dieser Missstand aber endlich mal behoben worden ist, hilft es sicher, sich im Team fragend an die wesentlichen Infos heranzupirschen.

Ich habe bis hierher schon viele Punkte genannt, nach denen ihr gemeinsam Ausschau halten könnt. Ergänzt die Liste einfach noch mit Erfahrungen, die ihr selber gemacht oder von denen ihr schonmal gehört habt. Nicht weiter erwähnt habe ich hier zum Beispiel das Thema „Gebietskulisse“, also die geographische Einschränkung der Antragsberechtigung entlang bestimmter Kriterien wie etwa Strukturschwäche (GRW-Klassifizierung) und Ländlichkeit (Thünen-Klassifizierung). Auch „Weiterleitungen“, also die Möglichkeit mit Fördermitteln selber als Zuwendungsgeber gegenüber Dritten aufzutreten, habe ich nicht mehr untergebracht.

Solche und ähnliche Punkte könnt ihr aber ganz einfach als weitere Fragestellungen sammeln und in den Texten gemeinsam danach Ausschau halten. Wenn ihr dann keine befriedigende Antwort findet, lohnt es sich zum Hörer zu greifen oder in die Tasten zu hauen. Konkrete Fragen sollten Zuwendungsgeber auch recht konkret beantworten können. Sie sollten daran auch ein Interesse haben, denn fehlerhafte Anträge machen – soweit es nicht die K.O.-Kriterien betrifft – ziemlich viel Arbeit.

Epilog: Finger weg von der Staatskohle?! 

Wer sich das oben erwähnte Buch zu typischen Mängeln und Fehlern im Zuwendungsbereich genauer anschaut, wird feststellen, dass Zuwendungsrecht ein recht ambivalentes Feld ist. Einerseits ist es eine Art Gestaltungsrecht, das, wenn es demokratisch legitimiert ist, ein hervorragendes Instrument staatlicher Governance darstellt. Andererseits geht es im Grunde um Finanzierung von Aufgaben, die der Staat besonders wichtig findet, aber nicht selbst erledigen kann und das Verfolgen von Zielen, die nicht anders als über eine Förderung zu erreichen sind.

Im Kontext einer eigenständigen und eigensinnigen Zivilgesellschaft klingt das nicht unbedingt nach einer guten Grundlage für die Partnerschaft mit dem Staat, oder? Es klingt vielmehr nach Indienstnahme. Und sowas in der Art ist es auch! Das Sprichwort „Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing‘“ kennt ihr sicher. Wer hier nicht mitsingen will, sollte sich zumindest in bestimmten Bereichen seine Unabhängigkeit bewahren und die Finger von der Staatskohle lassen.

Dass das einfacher gesagt als getan ist, glaube ich gern. Der D64 e.V. zum Beispiel hat ziemlich mit sich gerungen, bis eine entsprechende Policy stand. Und er tat gut daran, seine politische Arbeit zur Sperrzone für (private und öffentliche) Fördermittelgeber zu erklären. D64 bewahrt sich so seine Unabhängigkeit, die Grundlage für eigensinniges Engagement im Sinne dessen, was man für das Gemeinwohl hält.

Quellen:
Der Präsident des Bundesrechnungshofes (2016): Prüfung der Vergabe und Bewirtschaftung von Zuwendungen - typische Mängel und Fehler im Zuwendungsbereich : Empfehlung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung. 2. überarbeitete Auflage. Stuttgart.

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