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"Theorie ohne Praxis ist leer, Praxis ohne Theorie ist blind." Könnte Immanuel Kant gesagt haben - über New Work zum Beispiel. Da gibt's ja viel Praxis und auch ein bisschen Theorie. Für meinen Geschmack aber viel zu wenig Streit. Gut also, dass sich Kai Matthiesen und Judith Muster von Metaplan mit dem brand eins Journalisten Peter Laudenbach zusammengetan und die Humanisierung der Organisation mit dem systemtheoretischen Instrumentarium Niklas Luhmanns seziert haben.
Herausgekommen ist nicht nur ein gut lesbares, haptisch wie optisch schön gestaltetes Buch mit 254 Seiten, sondern im Grunde ein Gegenentwurf zu "New Work needs Inner Work". Die etwas vermessene Frage lautet:
Wie wäre es, wenn sich die Organisation nach den Bedürfnissen ihrer Mitglieder ausrichtet - statt sie mit Personalisierung, Moralisierung, Motivationstrainings und anderen Aufdringlichkeiten zu belästigen?
Steht bei der "Inner Work" am Ende weniger äußere und mehr innere Struktur, wollen Matthiesen, Muster und Laudenbach dem organisierten Menschen gerecht werden, indem sie den Großteil seines Wesens ignorieren. Der ganze Mensch - gleich wie empathisch, reflektiert und achtsam er ist - ist für die Organisation ohnehin nicht brauchbar. Er macht sie langsam, intransparent und innovationsresistent. Ein Beispiel gefällig?
Im Kapitel zu "brauchbarer Illegalität" findet sich der Bericht zu einem französischen Logistikunternehmen, in dem die Belegschaft die Gestaltung der Arbeitsorganisation selbst in die Hand genommen hat, währenddessen das Management mit dem Kopf im Wolkenkuckucksheim irgendwelcher KPIs steckte. Die Produktivität war in Ordnung. Sie ließ sich aber nicht weiter steigern ohne die Self-Made-Arbeitsorganisation zu verändern. Die aber wurde natürlich mit Zähnen und Kauen verteidigt und verhinderte durch ihre Eigenlogik auch die Investition in neues Material. Im Ergebnis wusste niemand mehr die Arbeitsprozesse effektiv zu kontrollieren und notwendige Veränderung zu steuern.
Die naheliegende Frage, ob es überhaupt ein kontrollierendes Management braucht, das Veränderungen steuert, würde ich in diesem Fall mit einem deutlichen Ja beantworten. Wenn sich die Produktivität nämlich strukturell nur zulasten der Gesundheit der Mitarbeitenden aufrecht erhalten lässt, nützen Arbeitssicherheitsschulungen ebenso wenig wie Achtsamkeitstrainings: Die Verhältnisse prägen das Verhalten! Das gilt nicht nur im Logistik-Gewerbe, in Industrie, Handwerk und der Dienstleistungsbranche sondern auch Vereinen und Verbänden.

Und sonst so?

Weil den Beipackzettel zur öffentlichen Projektförderung normaler Weise kein Mensch liest, dabei aber viel Gutes drin steckt, hat das Team der DSEE einen digitalen ANBest-P-Escape-Room gebastelt. Für den Anfänger-Modus braucht's save nicht mehr als 15 Minuten, um sich freizuspielen. Im Pro-Modus dagegen muss man schon ein bisschen mehr Zeit einplanen.
Ansonsten halt das Übliche: Nebst "Kuschelparadox" der Bürgernähe, über das ich für die Voluntaris einen Beitrag geschrieben habe (comming soon), treibt mich die Zukunft des (organisierten) Engagements um. Im Sammelband zu "Leben und Versorgung gestalten nach Corona" habe ich meine Ideen zu Armin Nassehis "Parlament der Funktionen" etwas weiter ausgebreitet und beim "Zukunftsdialog Familie" von wellcome drei Thesen zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements gedroppt (Workshop-Report). Und auch TikTok ist weiter Thema: Hier der Talk-Report zu meiner Session beim diesjährigen Digital Social Summit.

Und jetzt du!

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