Erste Daten zum Freiwilligensurvey — Neue und flexiblere Engagementangebote bleiben notwendig

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Ach ja, eigentlich sollte ich ja fleißig für die morgige Prüfung lernen, aber irgendwie lässt mich die gestrige Mail von Herbert Schmidt und der Tweet von @germankiwi nicht los. Nach einer kurzen Twitter-Diskussion um den Verbleib des neuen Freiwilligensurveys mit Jörg Reschke, Stefan Meyn und Sassan Gholiagha, bei der wir natürlich nicht vergaßen auch auf die twitternde Familienministerin Köhler zu verlinken, flogen mir nun die ersten Zahlen und Fakten aus dem 2009er Survey zu.

„#bmfsfj veröffentlicht erste ergebnisse zum #freiwilligensurvey 2009 http://bit.ly/cGiwLQ (@foulder @meyner @joergreschke)“ (via @germankiwi)


Zunächst einmal: Entgegen den Vermutungen, die noch vor nicht all zu langer Zeit in Reden zum ‚bürgerschaftlichen Engagement‘ lanciert wurden, konnte ein weiterer Anstieg des freiwilligen Engagements in Deutschland nicht verzeichnet werden. Stieg der Anteil der freiwillig engagierten Menschen in Deutschland von 34% in 1999 (der ersten Erhebungswelle) auf 36% in 2004, blieb die Engagementquote auch in 2009 auf eben diesem Stand.
Positiv zu bewertende Tendenzen finden sich dagegen in der allgemeinen Engagementbereitschaft und dem gestiegenen Engagement der Menschen im Osten Deutschlands. Ersteres musste allerdings auch schon im Freiwilligensurvey von 2004 relativiert werden (BMFSFJ 2005, 81f). Da sich nämlich die Einstellungen zum freiwilligen Engagement — und somit die entsprechenden Angaben bei der Befragung — eher an die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen anpassen als das tatsächliche Verhalten, spiegeln sich in der Diskrepanz zwischen freiwillig Engagierten und „bestimmt“ oder „eventuell“ zum freiwilligen Engagement bereiten Menschen zunächst lediglich die moralisierenden Forderungen nach mehr ‚bürgerschaftlichem Engagement‘ und einer aktiven Zivilgesellschaft.
Andererseits lassen die jetzt schon vorliegenden Daten weiterhin die Vermutung zu, dass sich prinzipiell engagementbereite Menschen noch nicht engagieren, weil die passenden Angebote fehlen. Verwiesen wird vor allem auf den Abbruch des Engagements auf Grund der erwarteten Mobilität in Phasen der Ausbildung und dem Berufseinstieg sowie die körperlichen Gebrechen älterer Menschen, die das By-Side-Engagement im Alter (ab 71 Jahren) zunehmend schwierig machen (BMFSFJ 2010, 4f).
Weitere Indikatoren für die Notwendigkeit neuer und flexiblerer Engagementangebote, wie die Möglichkeit sich von zu Hause,von Arbeit oder von Unterwegs aus über das Internet zu engagieren, legt auch der Vergleich des Engagements von Männern und Frauen nahe. Liegen die Engagementquoten der Frauen aller Altersklassen hinter denen der Männer, sticht der Unterschied zwischen engagierten Männern und Frauen im Alter zwischen 20 und 29 besonders ins Auge. Als Erklärung für diese Diskrepanz wird das „oft konfliktbelastete und anstrengende Zusammentreffen der Faktoren zielstrebige Ausbildung, Übergang in den Beruf und Familiengründung im Leben junger Frauen“ genannt (BMFSFJ 2010, 6).
Leider finden sich in der Vorveröffentlichung zum Freiwilligensurvey 2009 noch keine Angaben zum Interneteinsatz in der deutschen Freiwilligenarbeit. Vermuten lässt sich aber, dass die Einschätzungen der Wichtigkeit des Mediums im neuen Survey eher positiv ausfallen, wobei sich der tatsächliche Einsatz (vor allem in traditionellen Freiwilligenorganisationen) aber weitgehend in Grenzen halten dürfte.

Kommentare

    • Hallo Brigitte, vielen Dank für deinen Kommentar.
      Die niedrige Quote weiblichen Engagements zieht sich meines Wissens schon eine Weile durch die Erhebungen zur deutschen Freiwilligenarbeit. Als Grund für den Unterschied zum weiblichen Engagement in den USA würde ich strukturelle Unterschiede vermuten.
      Du schreibst ja, dass eine der häufigsten (oder meisten) Tätigkeiten Freiwilliger in den USA das Fundraising ist. In Deutschland dagegen ist das ein stark hauptamtlich besetztes Tätigkeitsfeld. Außerdem sind vor allem größere Freiwilligenorganisationen nicht so sehr auf (Zeit- und Skill-) Spenden angewiesen — Stichwort Sozialstaat.
      Desweiteren lässt sich das Ungleichgewicht von weiblichen und männlichen Engagierten auch auf das Forschungsdesign des Freiwilligensurveys zurück führen. Hier wird die Freilligenarbeit nämlich als Verantwortungsübernahme über die bloße Teilnahme hinaus definiert und auch entsprechend abgefragt. Ich vermute, dass es (noch) eher die Männer sind die sich in so definierten Engagements befinden. In den Genderstudies phrasiert man das entsprechend: „Männer handeln Frauen kommen vor“
      Es gibt sicherlich noch viele weitere Gründe für die Geschlechter-Disparität in der deutschen Freiwilligenarbeit (z.B. ist der Breitensport als klassisch männliche Domäne einer der größten Engagementbereiche), als Hauptgrund würde ich aber die Unflexibilität des freiwilligen Engagements sehen, die vor allem im sozialen Bereich zu finden sein dürfte.

  • O.k., – wenn die Studie die Ehrenämter abfragt und nicht das bloße Engagement, dann sind die Unterschiede klar, weil Männer eben eher die Ämter besetzen und Frauen den Service machen….Und dann der Sportbereich als männlich besetzte Zone, – zwei überzeugende Gründe, wie man sich den niedrigeren Frauenanteil erklären könnte.

    • … Der Freiwilligensurvey fragt nicht nur Ehrenämter ab. Es wird schon ein Unterschied zwischen freiwilligem Engagement und dem Ehrenamt gemacht. Sind die Freiwilligen in Ehrenämtern gewählt/ernannt und über einen bestimmten Zeitraum eingesetzt, übernehmen freiwillig Engagerte Aufgaben und Verantwortung über ihre bloße Teilnahme hinaus. Das machen Frauen natürlich auch zu tausenden (wenn nicht Milionen), doch geht es um die Steuerung eines Projektes — im Sinne einer Initiative würde ich das nicht zum Ehrenamt zählen — sind die Männer statistisch dennoch wieder vorn.

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