Was hat das Leistungsschutzrecht mit mir zu tun?

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​Google hat vorgestern die Kampagne „Verteidige dein Netz“ gestartet. Warum ich die Interessen eines Suchmaschinenbetreibers SEO-vorteilhaft am Anfang meines Blogposts verlinke, warum ich die Kampagne also unterstütze, schreibe ich ganz zum Schluss. Zunächst sei aber die Frage gestellt, was das Leistungsschutzrecht eigentlich mit mir zu tun hat.
Leistungsschutzrecht? Da regen sich doch diese Netzbürger drüber auf. Das hat doch nichts mit mir zu tun. Ich betreibe keine Suchmaschine und zähle meinen Blog auch nicht ernsthaft zu den Presseprodukten. Zumindest würde ich Google, Bing & Co. nicht versuchen Geld dafür abzuknöpfen, das sie möglicher Weise interessierte Leserinnen und Leser über die Existenz meines Blogs informieren. Ehrlich gesagt sind mir die Anliegen, über die ich hier so schreibe und über die ich gern mit anderen diskutiere, für solcherlei Schoten viel zu wichtig. Bei den Presseverlagen scheint das anders zu sein. Presseverlage — so zumindest mein Eindruck — ist besonders wichtig Geld, viel Geld und am besten noch viel mehr Geld auf die Art und Weise zu verdienen, wie sie es schon lange tun: über den Verkauf aufbereiteter Informationen, über Anzeigen und Werbebeilagen.
Es braucht schon einiges Beharrungsvermögen — ich möchte fast sagen Ignoranz –, die sich wandelnde Medienrealität so vollständig auszublenden, wie es jene tun, die dieses Leistungsschutzrecht herbeilobbyiert haben und heute so vehement gegen alle möglichen Einwände verteidigen. Ist denen eigentlich nicht klar, dass der Weg zurück für Menschen wie mich keine Option ist? Ist es nicht eigentlich völlig klar, dass nicht nur für die junge Generation eine Information im Internet faktisch nicht existiert, wenn sie nicht in mindestens einer der großen Suchmaschinen gelistet — sprich auffindbar — ist? Und ist es nicht völlig klar, dass der Taxifahrer (Suchmaschine), der Strafe für die Fahrt ins Restaurant X oder Y (Abgaben für Snippets) bezahlen muss, da einfach niemanden mehr hinfährt (den Dienst einstellt)? Manchmal frage ich mich wirklich, in welcher Welt — welcher Filter Bubble — solche Leute leben. Doch ich frage mich eben auch, was das nun eigentlich mit mir zu tun hat.
Ehrlich gesagt suche ich nur selten Zeitungsartikel im Internet. Einerseits enttäuscht mich die Websuche regelmäßig, andererseits liefert mir Twitter, Facebook, meine Blogroll und die Tagesschau das allermeiste von dem, was ich tagtäglich an News verarbeite. Ich gehöre einfach nicht mehr zu jenen, die sich auf ein, zwei oder drei Zeitungsmarken (Presseprodukte) verlassen. Ich kaufe mir Morgens keine Zeitung, um dann erstmal die Werbebeilagen rauszuschütteln. Ich stecke die Nase in meine Streams, filtere aus dem Buzz, was gerade relevant weil redundant ist und picke mir ansonsten heraus, was mich interessiert. Und wenn mir die Crowd mal nicht liefern kann, was mich interessiert, suche ich mir eben noch ein paar mehr Leute, die die tägliche Informationsflut bereichern.
Selbstverständlich beachte ich einige Leute in meinem Twitter-Stream mehr als andere — eine Frage des (persönlichen) Vertrauens. Selbstverständlich schaue ich bei meiner (fast) täglichen Visite im RSS-Reader zu erst bei den NPO-Blogs vorbei, bevor ich mich den Law-Blogs widme und dann irgendwann zu „Diversem“ komme — eine Frage der Prioritäten. Und selbstverständlich filtere ich meinen Twitter-Stream — eine Frage des Interesses. Doch was ich eben nicht mache ist mir von „professionellen“ Journalisten vorkauen zu lassen, was mich interessieren muss und was nicht — eine Frage des Prinzips. Ich denke lieber selber. Und weil ich das tue, denke ich jetzt schon vier Absätze lang darüber nach, was zum Teufel dieses Leistungsschutzrecht mit mir zu tun hat.
… ein persönliches Pro & Contra
Mir scheint das Leistungsschutzrecht einer der Gründe zu sein, warum ich mich mittlerweile so für das Fach der Juristerei interessiere. Als Blogger bewege ich mich eigentlich ständig in rechtlichen Grauzonen. Das heißt nicht, dass ich ständig mit einem Fuß im Knast stehe, das heißt nur, dass ich jederzeit angreifbar bin. Wer mir ernsthaft schaden will, findet hier im Blog sehr wahrscheinlich brauchbare Munition. Für Blogger gibt es keine Rechtssicherheit und für Bloggerinnen auch nicht. Ich bin mein eigener Verleger, ich kann keine Verantwortung delegieren; nicht für die Inhalte, die ich veröffentliche, nicht für die Bilder, die ich hochlade und auch nicht für die Zitate, die ich verwende. Die juristische Lektüre gibt mir einfach das gute Gefühl zumindest ein bisschen Bescheid zu wissen; Impressum hier, Bildrechte da und ab und an auch eine kleine Erfolgsgeschichte von Bloggern, die sich zur Wehr setzen.
Doch — und das ist für mich des Pudels Kern — kann ich es irgendjemanden verübeln, die Gewissheit eigentlich niemals genug zu wissen, als Argument — oder Ausrede (?) — dafür zu verwenden, den Schritt ins Netz nicht zu machen? Nicht ernsthaft! Ich durchaus nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die ihre Prioritäten anders setzen. Die niemandem ‚aus dem Internet‘ vertrauen, bevor sie ihn oder sie nicht selbst die Hand geschüttelt haben. Und die sich des Abends lieber vor den Fernseher setzen als sich selbst nach ihrer Rolle in der Gesellschaft zu fragen (obwohl ich meine, dass wir das alle in regelmäßigen Abständen tun sollten). Für mich sind solche Menschen einfach die Vielen die eben nicht so sind wie ich und je mehr es von ihnen gibt, desto besser kann ich mich von ihnen abheben, mein eigenes Ding machen, so leben, wie ich das will.
Soviel zu dem persönlichen Vorteil, den mir das Leistungsschutzrecht und seines Gleichen bieten: Sie konservieren den Status Quo und bieten mir die Möglichkeit, mich vom Rest abzuheben. Nachteilig daran ist allerdings, dass sich das Ziel einer inklusive, vitalen Zivilgesellschaft, die sich (auch) über das Netz organisiert nicht erreichen lässt. Für mich ist das Leistungsschutzrecht und die vielen andere Gesetze, die da ihrer Updates auf das ‚real life‘ der Medienrealität harren, also einer von vielen Knüppeln, die uns auf dem Weg zu reichweitestarken Netzwerken mit gesellschaftlicher Gestaltungsmacht — formaly known as „Zivilgesellschaft“ — zwischen die Beine geworfen werden. Die ständige Rechtsunsicherheit ist wohl der beste Garant dafür, dass sich die große Mehrheit gerade nicht traut, sich im Netz öffentlich zu positionieren, wie sie es am Stammtisch in der Kneipe tun, an dem — neben bei gesagt — hohe Rechtssicherheit herrscht. Gerade diese Mehrheit der Gesellschaft bräuchte es aber, damit sich genügend Menschen finden, die gleicher Meinung sind und über das Internet und die Sozialen Medien durchsetzungsfähige Netzwerke bilden und dann endlich gute Voraussetzungen für die eigene Existenz schaffen.

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