Die Bundestagswahl ist vorbei. Welche Lager dabei in welchem Umfang gewonnen oder verloren haben, wurde aureichend Diskutiert. Es sieht sehr danach aus, als müssten wir uns für die nächste Zeit auf eine schwarz-gelbe Regierung einstellen, der zumindest Markus Beckedahl von netzpolitik.org etwas abgewinnen kann: Klare Verhältnisse. Ob aber die Bürgerrechte, die sich die FDP auf die Fahnen geschrieben hat, bei all der Steuersenkungsidiotie auf der Strecke beleiben oder nicht, bleibt zu bezweifeln.
Beckedahl schreibt von einer Millionen Wäherinnen und Wählern, die das Thema „Netzpolitik“ in Deutschland für so wichtig erachteten, das sie für die Piratenpartei stimmten. Ich finde es zwar erfreulich, dass es den Piraten mit knapp zwei Prozent der Stimmen gelang ein deutliches Zeichen zu setzen, doch erinnert mich dies schmerzlich an die arrogant-antidemokratische Äußerung Ursula von der Layens:
„Wir haben in Deutschland 40.000.000 Internetnutzer, was sind da 134.000 Petitionsunterzeichner?“
Fürwahr: Der Teil der Bürgergesellschaft, der sich im Web organisiert und auf verschiedenste Art und Weise die Politik zu beeinflussen versucht, ist ein Randthema in Deutschland. Die deutsche Mehrheit ist noch nicht im Social Web angekommen und sieht dementsprechend vom zumeist kreativen Engagement der Netizens wenig. Gleiches gilt auch für den Dritten Sektor in Deutschland. NPOs deren Mitarbeitende, Vorstände oder Geschäftsführende viel Zeit und Kraft darauf verwenden vielerlei Argumente zu suchen, warum der Einsatz des Webs gerade in ihrer Arbeit unmöglich ist, machen es einer Online-Bürgergesellschaft schwer. Diese ist schließlich auf Organisationen angewiesen.
Doch graben sich die besagten NPOs damit selbst das Wasser ab. Bei Analysen der aktuellen Web-Kultur wird häufig die These lanciert, die jungen Netizens könnten sich mit den bestehenden Strukturen nicht identifizieren und würden deshalb eigene schaffen. Das halte ich auch für weitgehend richtig, doch bin ich auch davon überzeugt, dass bestehende Organisationsstrukturen Vorteile haben, die für Netzaktivisten nutzbar gemacht werden sollten.
Um bürgerschaftliche, politische und zivilgesellschaftliche Partizipation in Deutschland weiter auszubauen, sind Dritt-Sektor-Organisationen also in der Pflicht neue Zugangswege anzubieten. Auch wenn das Thema Online-Bürgergesellschaft in Deutschland noch eher randständig ist, wird es in naher Zukunft (vielleicht sogar schon zur nächsten Bundestagswahl 2013) eine weitaus größere Rolle spielen. Es fragt sich nur, ob die jetzt auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene etablierten Organisationsstrukturen dann noch eine Rolle spielen.