Das smarte Engagement

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Vor nicht all zu langer Zeit bekam ich von Brigitte Reiser via Twitter einen Tipp: „The long tail of volunteering“ – ein Blogpost von Patric Daniels. Ich habe die Idee des Long Tail Effects (nach Chris Anderson 2004) auch schon fleißig verarbeitet und immer, wenn ich die Chance dazu hatte, darauf hingewiesen, dass man die „less active“ 80% (siehe Grafik) der Freiwilligen nicht mit irgendwelchen Überredungskünsten gewinnen oder halten kann. Freiwillige, die sich für ein Projekt grundsätzlich begeistern können, dann aber ob der vielen Arbeit, der ungünstigen Zeiten oder der Befürchtung irgendwelchen Erwartungen nicht gerecht werden zu können abspringen, brauchen flexible – smarte (!) – Engagementangebote.
Daniels spricht dabei von einer Online-Dimension, in der man die Freiwilligenarbeit denken muss. Da gebe ich ihm freilich Recht! Das Online-Engagement ist genau das, was ich – und vielleicht auch Tim O’Reilly – unter smartem Engagement verstehen würde. Ich kann es mit nach Hause nehmen, ich kann die Arbeit erledigen, wann ich will, ich kann meine eigene (manchmal bessere, oft vertrauere) Technik dafür nutzen und ich kann sie auch von unterwegs aus, im Zug oder im Hotelzimmer erledigen. Für die us-amerikanische Organisationen kann ich mittlerweile sogar in meinen „spare moments“ an der Bushaltestelle bzw. in der U- oder S-Bahn engagieren.
Frei nach dem Motto „Machen wir das Engagement ein bisschen smarter“ hat sich die For-Profit-Orgaisation „The Extraordinaries“ daran gemacht kleine Taschen-Engagements dort anzubieten wo gelangweilte Engagementwillige nur darauf warten etwas Sinnvolles zu tun. Vielleicht Pilze auf kleinen Handybildern identifizieren oder Gemälde aus unübersichtlichen Sammlungen taggen. Vielleicht auch Straßenschäden, Spielmöglichkeiten oder Sehenswürdigkeiten via Social Mapping dokumentieren oder eben Website-Texte im 140-Zeichen-Format übersetzten. Nur die Phantasie setzt dem Micro-Volunteering seine Grenzen.
Doch wie ist es eigentlich – habe ich mir heute auf dem Weg nach Berlin überlegt – mit dem Maße der Bürgerbeteiligung? Brigitte Reiser hatte den Tweet mit dem sie mich dankenswerter Weise auch auf „die Außergewöhnlichen“ hingewiesen hat, mit #Bürgerbeteiligung getaggt. Doch heißt Micro-Volunteering eigentlich auch Micro-Beteiligung? Was haben die Freiwilligen vom smarten Engagement – abgesehen von Kosten für die Mobile-Web-Flatrate? Bis jetzt konnte ich mir diese Frage noch nicht umfassend beantworten. Ich bin lediglich zu dem Schluss gekommen, dass die Sinnfüllung sonst vertaner Zeit, ein Motiv zum freiwilligen Micro-Mobil-Online-Engagement sein könnte. Ein anderes ist vielleicht der Lokalpatriotismus oder die Verbundenheit mit einer Organisation, doch in welchem Maße könnten die Freiwilligen beim smarten Engagement noch gewinnen?

Kommentare

  • Ich habe bewußt den Hashtag 'Bürgerbeteiligung' gewählt, weil ich denke, dass jemand, der bei einer Kartierung usw. mithilft, aktiv an öffentlichen Angelegenheiten teilnimmt, – also partizipiert. Dieses Partizipationsmoment beim Bürgerengagement mitzudenken, ist wichtig, denn Engagement sollte nicht ganz individualisiert und privatisiert werden. Jeder, der sich irgendwo engagiert, gestaltet gleichzeitig – und wenn auch nur in kleinem Ausmaß – öffentliche Räume mit und ist damit auch politisch tätig (im weiten Sinne).Was das Micro-Volunteering angeht, – das ist aus meiner Sicht ein nettes Angebot, entspringt aber dem (ökonomischen/protestantisch geprägten) Gedanken, dass man jede Minute des eigenen Lebens effektiv nutzen sollte. Wer das so sieht, – für den ist das Angebot das Richtige. Dieser Nutzer wird Befriedigung darin finden, dass er seine Zeit nicht vergeudet, sondern auch beim Warten sinnvolle Leistungen für andere erbringt. Ich persönlich denke hingegen, dass blosses Warten/Leerlauf auch zum Leben dazugehören.

  • Okay an die protestantistisch geprägte Kultur hatte ich nicht gedacht. Macht aber Sinn, wenn man bedenkt, das die Idee des Mico-Volunteering wie die des Online-Volunteering aus den Staaten stammt … Vielleicht könnte man aber mit Micro-Volunteering-Angeboten auch Communitys knüpfen, die dann wiederum dem in Deutschland vorherschenden Gemeinschaftlichkeitsgedanken im Engagement entgegenkommt. Schnipseljagten via Mobil-Web auf die Art funktionieren, warum dann nicht das freiwillige Engagement via Mobile

  • Das beste Beispiel für Bürgerbeteiligung ist mir frisch über den (Online)Weg gelaufen (via Blog "Alles was gerecht ist von den Sozialhelden): http://www.buergerwirken.de – Basisdemokratisch, Crowdsourcing, "Wisdom of the crowds", Transparent, think global – act local – alles drin. Huch, Lobhudelei – aber ich bin echt begeistert.

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