Am 22. Februar 2010 werde ich zur Fachtagung der Lebenshilfe nach Marburg fahren. Unter dem Titel „bürgerschaftlich engagierte Menschen mit (geistiger) Behinderung“ sollen auf dieser Tagung verschiedene Wege diskutiert werden Menschen mit besonderen Bedarfen freiwilliges Engagement zu ermöglichen. Da darf das „Online-Volunteering als barrierefreies Engagement“ natürlich nicht fehlen.
Schon bei meinen Recherchen zum freiwilligen Engagement und der Internetnutzung in Deutschland musste ich den Schluss ziehen, dass beides ein deutliches Phänomen der Mitte unserer Gesellschaft ist. Mit dem Verweis in die Zukunft der Engagementförderung konnte ich mich damals noch trösten. Nachdem sich auch das ‚herkömmlichen‘ Engagement hauptsächlich aus den mittleren Gesellschaftsschichten rekrutiert hatte, gehört zur Förderung freiwilligen Engagements mittlerweile auch die Förderung des Engagements nicht-mittelständischer Mitmenschen — wenn man Menschen in prekären Lebenslagen, Migrantinnen und Migranten und Behinderte überhaupt so nennen darf.
Doch wo fängt man an, wenn man keine Ahnung hat?! Man fragt. Man unterhält sich. Man tauscht sich aus … Der erste, mit dem ich mich unterhielt, war Raul Krauthausen von den Sozialhelden. Gestern telefonierten wir bestimmt eine dreiviertel Stunde, bevor die Verbindung abbrach und mir nur der Dank für den hilfreichen Austausch via E-Mail und Facebook blieb.
Ich wollte von Raul zunächst wissen, wie er als körperlich Behinderter sein Engagement bei den Sozialhelden organisiert.
Zunächst einmal bemerkte Raul, dass freiwilliges Engagement völlig unabhängig von der Behinderung sei. Jeder und jede sollte sich einfach nach seinen Möglichkeiten und Interessen einbringen und engagieren. Dabei kann aber weder das freiwillige Engagement noch der Interneteinsatz in selbigem um seiner selbst willen geschehen. Freiwilliges Engagement ist keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder Beschäftigungstherapie und die Tools richten sich nach dem Themenfeld — nicht anders herum.
Als nächstes wollte ich gerne wissen, wie den das Engagement der Sozialhelden organisiert wird.
Darauf meinte Raul als erstes, dass dies nichts mit „Online-Volunteering“ zu tun habe, weil Absprachen offline im Café getroffen werden. Die Sozialhelden treffen sich etwa ein Mal im Monat zum „Gipfeltreffen“, einer Art Stammtisch, an dem je nach Thema, Aufgabenvielfalt und Interesse fünf bis zwanzig Leute teilnehmen. Auf die Nachfrage allerdings, wie denn die Zusammenarbeit nach dem Gipfeltreffen gestaltet wird, meinte Raul, dass der Einsatz relativ einfacher Internet-Tools wie E-Mail, Weblogs oder Filesharingprogrammen strategisch besprochen und dann konsequent umgesetzt wird.
Zum Sinn und Unsinn des freiwilligen Online-Engagements Behinderter sprach ich auch mit Raul.
Als „Betroffener“, wie er sich auch selber bezeichnet, wird ihm angst und bange, wenn er von den Angeboten einzelner Träger der Behindertenhilfe liest. Dies zuallererst, weil die marktwirtschaftliche Orientierung der Träger zu einer Klientelproduktion führt, die für den oder die Einzelne(n) nicht gut sein kann. Integrative Kindergärten — so Raul — die sich, ob des jährlichen Ausflugs zu einer ganz normalen Eislaufbahn, integrativ nennen und sonst aktiv zur Gettoisierung behinderter Menschen beitragen, sollten ihre Leistungen dringend überdenken.
Das Problem, dass behinderte Menschen den Kreis Gleicher nie verlassen, weil aus ökonomischen Gesichtspunkten auch nur die Engagements behindertengerecht angeboten werden, die den Trägern der Behindertenhilfe nützlich sind, sieht Raul ebenso als eine Gefahr meiner Idee des „barrierefreien Engagements“ für Behinderte. Er widerholte: Freiwilliges Engagement ist keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder Beschäftigungstherapie! Woraufhin ich ergänzte: Es kann hauptamtliche Arbeit auch nicht ersetzen.
Sicherlich hatten Raul und ich zur Förderung freiwilligen Engagements von Behinderten so unsere Meinungsverschiedenheiten. Während ich meine, das hier endlich einmal die aktive Teilhabe derer gefördert wird, die sonst sehr schnell an den Rand unserer Leistungsgesellschaft gedrängt werden, ist Rauls Warnung vor der werkstättischen Freiwilligenarbeit als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme um ihrer selbst Willen auch nicht von der Hand zu weisen.
Es bleibt also das Fazit: Bei allen Bestrebungen der Engagementförderung muss die Freiwilligenarbeit frei und selbstbestimmt bleiben. Freiwilliges Engagement Behinderter darf sich nicht nur im Engagement „von Behinderten für Behinderte“ erschöpfen, sondern muss auch darüber hinaus möglich gemacht werden. Vielleicht ist das Internet hierfür ein Weg vielleicht müssen wir aber auch noch andere Ideen entwickeln. Um es mit Rauls Worten zu sagen: „Bleib‘ kritisch“
Im Gespräch mit Raul Krauthausen
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[…] vor allem auf die Vielfalt der Medien an, die für die Interessierten zu Auswahl stehen. Nach dem Motto Raul Krauthausens: „Jeder nach seinen Möglichkeiten und […]
[…] im Gespräch mit Raul wurde klar, dass beim Engagement als demokratische Teilhabemöglichkeit eigentlich kein Unterschied […]
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