Kommentar zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (#JMStV)

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Seit ein paar Tagen geistert der Hashtag #JMStV durch meinen Twitterstream —  hämische Kommentare und überdreht Panikmache inklusive. Dankenswerter Weise gibt es aber auch noch Webangebote, die die Sache mit der Novellierung des Staatsvertrages zum Jugendmedienschutz (PDF mit hervorgehobenen Änderungen) etwas nüchterner betrachten und die vielen Contras einigen schlagkräftigen Pros entgegen stellen. So z.B. der Blog Telemedicus.info, der im RSS-Reader verantwortungsbewusster Contentproduzentinnen und -produzenten m.E. nicht fehlen darf.
Auf Telemedicus hat Simon Müller heute drei lesenswerte Artikel vorgestellt, von denen ich zwei für besonders empfehlenswert halte: Den FAQ der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) und die Gegendarstellung von Thomas Schwenke im Web-Magazin t3n („17 Fragen zum neuen JMStV”). Was den dritten Beitrag betrifft, kann ich nicht ehrlich sagen, dass ich ihn empfehlen will. Prof. Dr. Thomas Hoeren, der Herausgeber des ca. halbjährig überarbeiteten Reader Internetrecht (PDF), der wiederum total habenswert ist, hat fachlich sicherlich Recht damit, dass der Text des Staatsvertrages aus juristischer Perspektive mangelhaft ist, doch kann und will ich seine Rhetorik vom C-Juristen und dem SozPäd-Vokabular nicht unterstützen.
Doch zurück zu den zwei empfehlenswerten Beiträgen zur aktuellen Diskussion um den Jugendmedienschutzstaatsvertrag: Die zwei Frage-Antwort-Sammlungen sollte wirklich jeder Contentproduzent und jede Contentproduzentin genau gelesen haben. Ja genau, beide!!! Sowohl das Pro vom FSM als auch das Contra von Herrn Schwenke. Irgendwo dazuwischen schließlich findet sich eurer ganz persönliches Fazit, eure ganz persönliche Wahrheit …


Mein persönliches Fazit: Mit viel gutem Willen auf die sich verändernde Medienrealität adäquat zu reagieren und dem Wissen um die Beschleunigung der Technologieentwicklung wie Fluktuation gängiger Praktiken der Mediennutzung wollten die Macherinnen und Macher des JMStV wohl den Rahmen eines umsetzbaren Jugendschutz im Internet schaffen. Den Schritt, alle Contentproduzierenden dabei in die Mitverantwortung zu nehmen, halte ich in diesem Rahmen für nur konsequent. Leider entstehen dabei aber — wie so häufig — nicht intendierte Folgen, die vor allem private Anbieterinnen und Anbieter (wie mich) in die gesetzliche Grauzone rutschen lassen. Damit provoziert der JMStV exekutive Willkür. Jeder und Jede, der oder die mit seinem Webangebot auffällt kann jugendschützerisch gefilzt werden, wobei sich der eine oder andere Fund sicherlich kaum vermeiden lässt. Eigentlich müsste ich bis zum 01. Januar 2011 — dann tritt der Staatsvertrag in Kraft — all meine bisherigen Artikel, Texte, Bilder und Videos (da hat sich mittlerweile einiges angehäuft) auf jugendgefährdende oder auch nur fragwürdige Inhalte überprüfen. Doch, bei aller Bescheidenheit: auch für jemanden wie mich, der sich seit nunmehr 6 Jahren auch mit (neuen) Medien und Medienpädagogik beschäftigt, ist das nicht all zu einfach.
Als Beispiel sei hier abschließend ein Video angeführt, dass ich im Sommer 2008 auf Youtube eingestellt habe, das also eigentlich schon fast wieder in Vergessenheit geraten sein könnte:
[youtube= http://www.youtube.com/watch?v=Lex8KoKIIsg] Das Video zeigt mich beim Laden und Schießen mit einer Vorderschaftrepetierflinte (Pumpgun). In diesem nebenher aufgenommenen Video sieht man natürlich nicht, dass ich lediglich in die Luft schieße. Zuschauer, die noch keinen Schießsport betrieben haben, werden auch nicht erkennen, dass ich auf einem abgesperrten und entsprechend markierten Schießplatz stehe und in Begleitung eines Aufsehers agiere. Eigentlich sieht man nur, dass (und wie [!]) ich eine Pumpgun lade und dass man mit so einem Gewehr ziemlich schnell schießen kann. In Anbetracht der Diskussion ums Waffenrecht, die nach jedem aufsehenerregenden Vorfall aufflammt, könnte man durch aus zu dem Schluss kommen, dass dieses Video nichts für kleine Kinder ist. Altersfreigabe also ab 12 oder 16 — was meint ihr?
Update: Anlässlich der Anhörung zum JMStV im Landtag des Saarlandes am 02.12.2010 sprach sich Jürgen Ertelt, Projektkoordinator von Jugend Online und passionierter Social Media Nutzer, recht deutlich gegen dessen Ratifizierung aus. Der JMStV, so Ertelt, läuft der Logik des „Lese-/Schreibe-Netzes“ zuwider und übervorteilt kommerzielle Anbieter. Eine gangbare („die einzige“) Lösung sieht Ertelt in der Entwicklung Community basierter, freiwilliger Ratingmodelle, die Eltern, Jugendliche und Medienpädagog(innen) gleicher Maßen einbeziehen. (PDF mit Ertelts Stellungnahme)
Update: Auf dem erwähnten Lawblog „Telemedicus.info“ ist heute eine aufschlussreiche Infografik samt Legende erschienen, die Website-Betreibende interessieren dürfte. Leider ist bisher nicht geklärt, was der Begriff „geschäftlich“ bezeichnet, deshalb kann man bei dieser Entscheidungshilfe nur für „Ja“ votieren, wenn man als privater Contentanbieter / -anbieterin nicht schon vorher bei „Keine Schranken nach JMStV“ gelandet ist.

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