„Social Media changes the world!” So hört man es mithin von überzeugten Webevangelisten. Twitter, Facebook & Co verändern nicht nur unser Kommunikationsverhalten sondern auch die Kommunikation selbst. „The medium is the message“ heißt es dazu bei Marshall McLuhan (1967). Schlaue Kritikerinnen und Kritiker versuchen etwas genauer hin zu schauen und argumentieren den optimistischen Weltveränderungsvorstellungen ganz schnell den Wind aus den Segeln:
Twitter and other social media can play an important role as new channels of communication and cooperation. But they are just that – channels – they are appropriated by people having certain intentions, mindsets, attitudes etc. (so Ilona Buchem kürzlich)
Nichts mehr als Kanäle also, die Kommunikation und Kooperation ermöglichen. „Linkschleuder Twitter“, „ein Marketing-Tool auf Steroiden“ oder einfach „Klowand des Internets“ — mehr nicht!? Zur Demokratisierung — so wird häufig geschlossen — tragen Social Media Kanäle wie Twitter und Facebook nur insofern bei, als dass sie Menschen der westlichen Welt einen Voyeurismus neuer Qualität ermöglichen — immer dicht dran am Geschehen und doch Meilen und Meilen davon entfernt:
Kein Medium kann in einer Krisensituation so schnell Nachrichten vermitteln wie Facebook oder Twitter. Soziale Netzwerke erzeugen das Gefühl, unmittelbar dabei zu sein, auch in Washington, Paris oder Berlin. Sie schaffen eine Intensität und Direktheit, mit der nicht einmal das Fernsehen konkurrieren kann (heißt es Ende Januar bei Spiegel-Online).
Doch wissen wir alle, dass sich Soziale Medien nicht allein für die Kommunikation und damit auch als Toolbox für die dezentrale Kooperation eignen. Als Soziale Medien sind Facebook, Twitter und Co. Dialogplattformen, die uns recht deutlich vermittelt, ob unsere Anliegen (unsere Kommunikation) irgendjemanden interessiert oder nicht. Häufig meinen wir, dass sich dieses Interesse der Anderen in der Menge abrufbarer Kontakte (Friends & Follower) spiegelt, ein echter Ansporn ist m.E. aber doch, das unmittelbare Feedback und die (wenn auch nur ideelle) Unterstützung von Menschen, mit denen ich sonst nie in Kontakt gekommen wäre. Was nützten mir potentielle Kontakte, wenn den Personen dahinter mein Anliegen völlig egal ist, wenn sie sich mit mir als Kontakt schmücken, wie ich es mit ihnen tue?
Wenn nun behauptet wird, die „Twitter-Revolten“ der vergangenen Zeit wären überhaupt keine gewesen, möchte ich hier doch widersprechen: Der Traum revoltierender Jugend im Iran, in Tunesien, in Ägypten und vielen anderen Ländern resultiert doch aus den Vorstellungen nach dem Vorbild westlichen Lebensstandards. Überall auf der Welt werden westliche Werte und Ideale hochgehalten, was manchmal doch recht eigentümliche Züge annimmt. Zwei Beispiele dazu aus Indien:
- In Neu Delhi, der Hauptstadt Indiens, einer riesigen Metropole in der Arm und Reich so dicht beieinander leben, dass es kaum auszuhalten ist, finden sich Sterne-Hotels westlichen Standards, in denen ein riesiger Aufwand betrieben wird, um möglichst viel vom eigenen Land draußen zu halten. Sogar das Leitungswasser wird extra aufbereitet, sodass es auch die vergleichsweise wenigen westliche Mägen vertragen, die dort Station machen.
- Sicherlich verdienen findige Kosmetikhersteller mit dem dortigen Personal viel Geld, indem sie Hautaufheller verkaufen – manchmal sogar digitale. Das (eigentlich abgeschaffte) indische Kastensystem avanciert so zu einer Farbenlehre, die die dem oder der Einzelnen die jeweilige gesellschaftliche Stellung vorgibt — je heller desto besser. Das vergleichsweise bleiche Ideal westlicher Kulturen gibt hier die Richtung an.
Doch zurück zur Motivation durch positives Feedback: Wer sich nach einem Vorbild reckt erlebt ein Hochgefühl, wenn er oder sie von diesem Vorbild anerkannt und gefördert wird. Anders herum demotiviert es uns, wenn wir uns abgelehnt oder missachtet vorkommen. Sowohl diese positive, wie auch die negative Verstärkung müssen dabei mitnichten materieller Natur sein. Meistens ist es Lob oder Tadel, Zu- oder Widerspruch, Freiheit oder enge Handlungsgrenzen etc. Durch die hohe Aufmerksamkeit, die die „Twitter-Revolten“ im Iran, in Tunesien und Ägypten erreichten — das ist meine These — fühlte sich die revoltierende Jugend in ihrem Anliegen anerkannt. Aus dem Kreis westlicher Kulturen wurden sie positiv verstärkt und zwar ungeschminkt und so authentisch wie es nur eine Community vermag.
Mit Blick auf den politischen „Schlingerkurs“ Deutschlands, Europas und der Vereinten Nationen in Sachen Libyen braucht ich nicht viel Phantasie um sich vorzustellen, wie demotivierend diese durch außen- und wirtschaftspolitische Interessen gefilterte Kommunikation auf die Revolutionen vergangener Tage gewirkt hat. Seit Dekaden gibt es immer wieder Oppositionelle, die gegen autoritäre Regime antreten und in beinahe voraussagbarer Zyklen wieder scheitern — oder selbst zu Tyrannen werden. Kann es sein, dass das an der wankelmütigen Haltung ihrer Vorbilder liegt? Kann es sein, dass die so wichtigen Unterstützerinnen und Unterstützer oppositioneller Führerinnen und Führer deshalb nicht ‚bei der Stange‘ gehalten werden konnten, weil sie das Gefühl vermittelt bekamen, im Kulturkreis ihrer Vorbilder ohnehin nicht willkommen zu sein? Führte das einige Verbitterte vielleicht sogar in die Radikalität?
Wirtschafts- und Außenpolitik mag für uns von Bedeutung sein, für den sechs-fachen Vater, der in Libyen für die Demokratie in seinem Land kämpft, zählt das nicht. Für seinen (zunächst friedlichen) Protest zählt zuerst ideeller Rückenhalt, der später auch durch materielle Unterstützung ergänzt werden kann. Dieser ideelle Rückhalt, der in Sachen friedlicher Proteste von so ziemlich jeder westlichen Regierung betont wurde, kommt aber nur zustande, wenn er im Einklang mit der (medialen) Öffentlichkeit formuliert werden kann — wenn er nicht völlig an der Realität vorbei geht. In diesem Sinne können wir also durch aus von einer Twitter-Revolution sprechen — nur eben nicht fußend auf Kommunikation und Kooperation, sondern ungefilterten Rückmeldungen, die die Oppositionellen positiv verstärkten und damit möglich machten, was lange Zeit undenkbar war.
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