Back to the Roots — Thomas de Maizière und die Kriegsfreiwilligkeit

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Sie lässt mich nicht los — die Aussage des amtierenden Verteidigungsministers Thomas de Maizière zur Zukunft der deutschen Freiwilligenarmee:

Wenn wir glauben, wir können junge Leute mit Geld in die Bundeswehr locken, dann halte ich das für falsch, und es kämen vielleicht auch die Falschen. Wir brauchen attraktive Bedingungen — wir brauchen aber auch einen Geist, den wir vom Ehrenamt her kennen.

Es soll künftig also nicht mehr nur ums Geld, sondern auch um die Ehre gehen. Da muss freilich — ergänzte der Frischberufene dieser Zeit — „die ganze Gesellschaft mitmachen“. Ich glaube de Maizière hätte genauso gut sagen können, es müsse wieder ein bisschen Nationalstolz her, wie wir ihn von den Fußballweltmeisterschaften kennen. Dort verteidigen schließlich auch wenige (vom Bundesjogi) auserwählte und von einem Gros der Deutschen angefeuerte Ballspielvirtuosen die Fußballehre der Deutschen — mal daheim, mal in Südafrika und demnächst auch in Brasilien. Ist es aber vorstellbar, dass sich Freiwillige als Soldaten um unser Land verdient machen, wie es so viele ehrenamtliche Würdenträger oder unsere Jungs in der deutschen Nationalelf tun? Angesichts des ‚Breitenpazifismus‘ in Deutschland kann ich mir das nur schwer vorstellen.
In früheren Tagen, als Krieg, Vertreibung und Unterdrückung noch zur unmittelbaren Wirklichkeit vieler Menschen gehörte — sprich: nicht nur aus der Ferne betrachtet oder per Knopfdruck verbreitet wurde — war diese urrepublikanische Vorstellung der Freiwilligkeit dagegen noch eine wichtige Größe. Ich hatte auf dem Berliner SocialCamp im November letzten Jahres davon berichtet: So unverständlich uns die Kriegsfreiwilligkeit heute scheint, Deutschland wäre ohne sie nicht dasselbe. In diesem Zusammenhang sehr bekannt geworden, ist das Lützow’sche Freikorps in dem sich sowohl einfache Bürger wie auch prominente Persönlichkeiten für die Befreiung Deutschlands engagierten. Zu erinnern ist an dieser Stelle aber auch immer wieder an die Kriegsbegeisterung zu Beginn des ersten und zweiten Weltkrieges.
Vor allem wegen der Ferne zum eigentlichen Problem kann ich mir die Kriegsfreiwilligkeit im Sinne des ehrenvollen Einsatzes als Soldat nicht vorstellen. Betätigen sich ehrenamtlich und freiwillig engagierte Menschen eher in ihrem direkten Lebensumfeld, mit direktem Bezug zu ihrer Lebenswelt, ist ein solcher Bezug im Kotext internationaler Militärverstrickungen nur schwer zu konstruieren. Mal gilt es die Menschenrechte durchsetzen, mal die Zivilbevölkerung zu beschützen und hin und wieder geht es sicherlich auch darum, den Ölnachschub für die Heimatfront zu sichern. Sicherlich alles Gründe für die Bundeswehr. Mit Ehre hat das aber noch nichts zu tun! Zur Ehrbarkeit gehören schließlich mindestens zwei: Verehrer und Verehrte (oder anders herum). Und hier soll dann die „ganze Gesellschaft“ ins Spiel kommen.
Um für die künftige Bundeswehr „einen Geist, den wir aus dem Ehrenamt kennen“ zu beflügeln braucht es eine Gesellschaft, die nicht über die Gründe streitet, warum der Einsatz unserer Freiwilligenarmee am Hindukusch gut und der in Libyen schlecht ist. Es braucht eine Gesellschaft, die hinter ihrer Mannschaft steht, weil sie zusammen gehören will und auch sonst eher schlicht gestrickt ist. Zur Fußballweltmeisterschaft nennen wir das Spaß und Erleben, Events und stimmungsvolles Gemeinschaftserleben — zu viel Nachdenken stört hier nur das Flair. Im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen, bei denen viele Menschen sterben, müssten wir zu dieser stumpfen Verehrung doch wieder Faschismus sagen.
Mit Erlaub: Es liegt mir fern hier irgendjemandem faschistoide Antriebe nachzusagen! Mit der Aussetzung der Wehrpflicht und dem Aufbau einer Freiwilligenarmee sehe ich Deutschland auf dem richtigen Weg. Die Freiwilligkeit, die in der Bundeswehr schon vor der jetzigen Reform möglich war — bspw. freiwillig bis zum 23. Monat länger zu dienen — werden hier zu Gunsten besserer Rekrutierbarkeit von Berufssoldaten schließlich nur ausgeweitet. Bezüglich des Geistes, den wir aus dem Ehrenamt kennen, wäre ich aber vorsichtig. M.E. sind es ohnehin eher die attraktiven Bedingungen, Chancen und Angebote, mit denen zum freiwilligen Dienst an der Waffe verführt werden kann.

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