Schon toll, diese Mittel und Möglichkeiten, die das Internet heute bietet, nicht wahr? Gerade gestern bin ich auf ein Monitoring-Tool gestoßen, dass insbesondere publizierende Akademiker!nnen interessieren dürfte: Google Scholar Citations. Die Zitationssuche von Google Scholar erlaubt es, die wissenschaftliche Zitation eigener Werke im Auge zu behalten und somit mögliche Kooperationspartner!nnen ausfindig zu machen und/oder Missverständnisse — die auch in der Welt der Fachzeitschriften an der Tagesordnung sind — aus dem Weg zu räumen. Google Scholar Citations bietet überdies einen Zitationsgraphen, der die absolute Menge der Zitationen über die Zeit (Jahr für Jahr) wiedergibt und errechnet unterschiedliche Zitationsindexe: Die absolute Zahl der Zitationen aller Werke, den Hirsch-Index, der die Konstanz der Zitation der Werke eines Autoren bzw. einer Autorin wiedergibt sowie den i10-Index, der die absolute Zahl an Publikationen mit mindestens zehn Zitationen wiedergibt.
Wozu ist die Zitationsanalyse gut?
Nun wird der eine oder die andere sicherlich Fragen, wozu das Monitoring wissenschaftlicher Zitation gut ist. Welcher Zitationsindex auch immer errechnet wird, er gibt in keiner Weise den Gehalt einer Publikation wieder. Die absolute Zahl der Zitationen zeigt zunächst nur, dass ein Autor oder eine Autorin Werke veröffentlicht, die von anderen zitiert werden. Wie oft ein Werk (z.B. ein Artikel, ein Buch oder ein Thesenpapier) aber von anderen aufgenommen wird, sagt noch nichts über die Qualität des Inhaltes; vernichtende Kritiken gehen hier ebenso ein, wie die zufällige Auswahl eines Werkes zur Untermauerung der eigenen Thesen („…das hat XY auch gesagt…“). Gleiches gilt für den i10-Index, wobei der Faktor hier freilich wesentlich kleiner ausfällt, weil ja nur Werke einbezogen werden, die mindestens 10 Mal zitiert wurden.
Als Beispiel für die mangelnde Aussagekraft von Zitationsindexen hinsichtlich der Qualität wissenschaftlicher Arbeiten sei hier Thilo Sarrazins akademischer Tiefschlag „Deutschland schafft sich ab“ angeführt: Für das bei der Deutschen Verlagsanstalt veröffentlichte Werk zählt Google Scholar 111 Zitationen in mindestens fünf verschiedenen Sprachen. Wer sich an die öffentliche Debatte um die provokant-populistischen Thesen Saarrazins erinnert, stimmt mir in der Vermutung sicherlich zu, dass ein Gros der Werke, in denen Sarazin zitiert wird, eher vernichtend als zustimmend ausfallen. Als Belege dafür sollten an dieser Stelle die 15 in der Wikipedia genannten Komentator!nnen ausreichen, die sich überwiegend negativ auf Sarrazin beziehen. Überdies sei auch noch auf den sehr lesenswerten Beitrag zum „fehlenden Kapitel“ über die Eugenik-Debatte unter den Sozialisten und Sozialdemokraten früherer Tage verwiesen, den Andrea Kamphuis im März vergangenen Jahres veröffentlichte.
Etwas anders verhält es sich wiederum mit dem Hirsch-Index. Der Faktor h (für Jorge E. Hirsch) stellt eine Art Median der Zitationen eines Autoren bzw. einer Autorin dar, gibt also jene Menge an zitierten Werken wieder, die einerseits mindestens h-mal und andererseits höchstens h-mal zitiert wurden, wobei null Zitationen nicht zählen. Für mathematisch begabte etwas konkreter:
So gibt der Hirsch-Index also eine relative Zahl wieder, die ihrerseits aber auch nichts über die Qualität der Publikationen aussagt — zumindest nicht direkt. Da der Hirsch-Index umso höher ist, je öfter alle Publikationen eines Autoren oder einer Autorin zitiert werden, lässt sich hier lediglich ableiten, dass die Werke des jeweiligen Autoren bzw. der jeweiligen Autorin in den akademischen Diskurs aufgenommen werden. Ob zustimmend oder ablehnend, ob wohlwollend oder vernichtend spielt auch hier keine Rolle. Der Vorteil beim Hirsch-Index ist aber, dass (pseudo-) wissenschaftliche Publikationen wie die von Sarrazin keinen großen Einfluss auf das Ranking haben, solange seine Werke nicht ständig derart Raum in der akademischen Debatte einnehmen, was mit „Europa braucht den Euro nicht“ allerdings nicht auszuschließen ist.„Ein Wissenschaftler hat einen Hirsch-Index h, wenn h von seinen insgesamt N Publikationen mindestens h-mal, die restlichen (N – h) Publikationen höchstens h-mal zitiert wurden. Zur Ermittlung kann man alle Veröffentlichungen des Autors nach Zitier-Häufigkeiten absteigend aufreihen. Man zählt nun durch, bis die r-te Veröffentlichung weniger als r Zitierungen hat. h ist dann r – 1“ (Wikipedia).
Wozu also die Zitationsanalyse, wenn doch kaum handfeste Aussagen zu erwarten sind? Hat sich die Wissenschaft hier sowas wie Algorithmen der Eitelkeit geschaffen oder gibt es vielleicht noch andere Vorteile als die bloße Selbstbeweihräucherung? Ja, die gibt es! Auch wenn der Zitationsindex lediglich widergibt, dass die Werke eines Autoren oder einer Autorin im akademischen Diskurs zitiert worden sind, gibt er doch auch einen Hinweis darauf, wen der akademische Nachwuchs am besten zitiert, um die eigenen Thesen glaubwürdig zu untermauern. Das Wissenschaftssystem ist — nicht nur in Deutschland — stark hierarchisch strukturiert und vom Streben nach Eliten bestimmt. Eben diese Eliten sind es, deren Thesen im akademischen Diskurs immer wieder aufgenommen werden, weil sie es auch sind, die von anderen immer wieder (zustimmend) zitiert wurden (Matthäus-Effekt). Zwar wiederspricht das nicht den Algorithmen der Eitelkeit, doch bilden die Index-Werte lediglich ab, was in der Wissenschaft seit eh und je gemacht wird: Man sucht nach Antworten auf eine bestimmte Frage und stößt dabei immer und immer wieder auf die Zitation einzelner Autor!nnen, deren Werke man sich dann besorgt und ggf. zitiert. Der Artikel über den man auf diese Hauptquelle aufmerksam geworden ist, bleibt dagegen unerwähnt.
Weitere Vorteile der Zitationsanalyse hatte ich einleitend schon kurz angesprochen. Dank Google Scholar werden Publizist!nnen nun rascher darauf aufmerksam, wenn sie von anderen Zitiert worden sind. Von Vorteil ist das insbesondere bei anspruchsvollen Nischenthemen. Mittels Google Scholar wird man nämlich auch auf jene Autor!nnen aufmerksam, die einem nicht unmittelbar aus der eigenen Arbeit bekannt sind. Nehmen wir das Beispiel „Online-Volunteering“: Die meisten Akademiker!nnen, die in Deutschland Werke zum freiwilligen Online-Engagement oder anverwandten Themen veröffentlicht haben, kenne ich. Der Kreis ist immer noch überschaubar. Veröffentlicht nun aber ein Einsteiger bzw. eine Einsteigerin ein wissenschaftliches Thesenpapier zum Online-Engagement und zitiert mich darin, würde ich nicht gleich aufmerksam werden, sondern erst über sechs bis sieben Ecken davon erfahren. Gleiches gilt für Missverständnisse. Werde ich in einem Werk falsch oder irreführend zitiert, kann ich schneller reagieren und ggf. richtigstellende Repliken veröffentlichen.
Zusammengefasst:
Alles in allem ist Google Scholar Citations ein nützliches Tool für (angehende) Akademiker!nnen. Zwar geben die errechneten Indexe zunächst keine Hinweise auf die Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten, doch lässt sich mit ihrer Hilfe ein Quellen-Ranking erstellen, das wiederum hilfreich bei der Auswahl der ‚richtigen‘ Autor!nnen ist. Für Akademiker!nnen, die im Wissenschaftssystem mitspielen wollen, bietet Google hier eine kostengünstiges und funktionales Tool. Und auch jene Autor!nnen, die die Problemlösung über ihrer akademische Reputation stellen wollen (eine noch recht selten vorkommende Spezies), bietet Google Scholar Citations die Möglichkeit, schneller von potentiellen Kooperationspartner!nnen zu erfahren als es früher möglich war. Insbesondere der neuen Wissenschaft, in der zurzeit OpenScience, OpenAccess und OpenData diskutiert werden, sei dieses Tool wärmstens empfohlen.
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Da du dich als Spezialist wirklich auskennst, eine Bitte: kannst du den Zitationsverlauf meiner Arbeit analysieren? Ich nehme an, dass er nicht typisch ist. Zum einen habe ich mich in meiner (Aktions)forschung ganz auf die Empirie gestützt und selbst unterrichtet, so dass ich zwar in der Wissenschaft bekannt war, aber nie auf Kongressen aufgetreten bin. Die Zeit hatte ich nicht dazu und ich wollte vor allem Fortbildungen durchführen. „Zitatkartelle“ und sonstige Netze konnte (und wollte) ich nicht bilden. Zum anderen kam ein Zitationspeak drei Jahre nach meiner Pensionierung und ich werde mit aufs und abs immer noch zitiert. Jetzt sogar wieder zunehmend. Was fällt dir auf? Danke für das Interesse: https://scholar.google.de/citations?user=JcsupSQAAAAJ&hl=de
So ein Experte bin ich hier auch nicht 🙂 Was mir bei der Zitation deines Buches zu LdL auffällt, ist dass es ab 2007 bis etwa 2014 in relevantrem Maße zitiert wurde (Basis: Titel der von Google ausgegebenen Texte). Selbst bist du relativ selten unter den Zitietenden zu finden. Es schent mir als sei LdL in unterschiedlichen Feldern der Didaktik ernsthaft angeguckt worden. Inwiefern es allerdings in wirklich wissenschaftlichen Jounalen zitiert worden ist, kann ich nicht sagen..