Das gaaanze Leben ist ein Spiiiel – und wir sind nur die Kan-di-da-ten …

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Wer ans Ehrenamt denkt, denkt wohl nicht ans Spielen. Ein Ehrenamt geht mit Verantwortung einher, Verantwortung für gemeinsame Ressourcen, Verantwortung für das Erreichen gemeinsamer Ziele und nicht zuletzt Verantwortung für andere Menschen. Dass diese Verantwortungsübernahme bei jungen Leuten heute nicht mehr en vogue ist und sich damit der virulente Mangel an ehernamtlichen Leitungs- und Führungskräften im Dritten Sektor erklären lässt, halte ich nicht nur für ein Gerücht, sondern für die Verdrehung von Tatsachen. Jugendliche und junge Erwachsene wollen sich engagieren und dabei Verantwortung übernehmen, nicht aber fraglos für die Ziele und Ideale der Alten (Farin 2012)
Was das Engagement und die Verantwortungsübernahme junger Menschen heute eher behindert ist indessen das, was Hartmut Rosa in Anschluss an Hermann Lübbe Gegenwartsschrumpfung“ nennt: Das, was die Vergangenheit von der Zukunft trennt, schumpft in der Spätmoderne immer weiter zusammen, bis das Selbst im Jetzt (Identittät) schließlich nur noch ein einzelner Punkt in einer sich richtungslos (chaotisch) entwickelnden Welt ist. Das zu erwartende Ergebnis: „Beschleunigung bis zum rasenden Stillstand“.

The next Level: „Gamification“

In meiner Reihe zur Zukunft des freiwilligen Engagements („Beschleunigung“, „kostenloses Engagement“ & „Return on Engagement“) habe ich bisher zu zeigen versucht, dass das situativ passgenaue Freiwilligenengagement á la Online- und Micro-Volunteering ein Weg darstellen könnte, den individuellen Return on Engagement erlebbar zu machen und das Ehrenamt perspektivisch wieder zu einer Option der Füllung frei zur Verfügung stehender Zeit werden zu lassen. Das Micro-Volunteering stellt dabei freilich selbst eine Spielart der Beschleunigung dar, die nun allerdings sukzessive mithilfe des Akzelerators „Gamification“ abgehängt wird.
Das finische StartUp Microtask verspricht Wirtschaftsunternehmungen resp. ihren Mitarbeitenden die „Freisetzung“ von allgemein als stupide qualifizierter Arbeit durch Crowdsourcing. Schreib- und Tipparbeiten, wie vll. die Übertragung handschriftlicher Dokumente in computerlesbare Daten, wird in kleine, einfach zu erledigende Aufgaben zerlegt und von „Micro-Volunteers“ in der ganzen Welt erledigt.

Wärend wir das Grundprinzip bereits vom reCAPTCHA-Projekt kennen, ergänzt Microtask die Sache um den Faktor „Gamification“. Die Aufgaben werden in kleine Browsergames á la FarmVille eingebaut und somit vom eigentlichen Zweck vollständig entkoppelt. Analog zu reCAPTCHA-Projekt muss der Spieler / die Spielerin die Tasks erledigen, um im Spiel weiter zu kommen, dass damit evtl. Arbeitsplätze vernichtet werden — um hier mal moralisch zu werden — interessiert dabei genauso wenig, wie der Zweck, zu dem die Daten schließlich gebraucht werden (vll. Atomlobbyismus?).

Fazit

Microtask forciert ebensowenig freiwilliges Online-Engagement wie es reCAPCHA tut (Jähnert 2012: 2). Durch die Verbingung von Gamification mit der Idee des Crowdsourcings werden die Aufgaben allerdings so gestaltet, dass sie sich umstandslos in das tägliche Leben der „Digital Natives“ (DIVSI 2012: 34) einpassen. Dementsprechend kreativ und interessant ist die Strategie des finischen StartUps. Ließe sich nämlich das Gamification beim Online- und Micro-Volunteering so weiterentwickeln, dass eine Verbindung zwischen den Spielenden und dem Zweck deren Tätigkeit hergestellt werden könnte, könnte in der Tat von einem Micro-Engagement gesprochen werden, das zu mehr als nur folgenloser Kurzweil führt — Micro-Volunteering that leads to „Macro-Volunteering“.* **

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