Die Verbindung von Internet- und Kommunikationstechnik (engl. kurz ICT) mit freiwilligen Engagement und Ehrenamt ist definitiv ein Thema des „Volunteering in the twenty-first century“ (UNV 2011: 26ff.). Die Internetnutzung ist kein Hype, der in absehbarer Zeit wieder vergeht. Ganz im Gegenteil! Mehr und mehr wird das Internet mit seinen Sozialen Medien selbstverständlicher Teil im alltäglichen Leben der Meisten von uns — in einiger Zeit sicher auch quer durch alle Altersschichten.
Die Verbindung von ICT und freiwilligem Engagement zum Online- und Micro-Volunteering verspricht zunächst einiges:
- Menschen können sich mit ihren Fähigkeiten und Ressourcen flexibel einbringen; vom heimischen Computer, von Arbeit oder von unterwegs aus. Damit lässt sich dedr Einstieg in das freiwillige Engagement besser als früher mit den alltäglichen Anforderungen (insb. in Job und Familie) vereinbaren.
- Freiwilliges Engagement über das Internet ist ortsunabhängig, womit sich der Aktionsradius von Freiwilligenorganisationen bei der Suche nach Unterstützern um ein Vielfaches erweitert. Egal wann und wo Hilfe und Unterstützung gebraucht wird, irgendwo auf der Welt wird sich ein Freiwilliger mit den richtigen Skills finden. Die Welt wird zu einem Dorf.
- Durch die ständige Verfügbarkeit der Produktionsmittel (Wissen, Werkzeuge, Rechenkapazität usw.) — bei Wissen z.T. hergestellt durch offene Lizensierung — lässt sich das Netz-Engagement von Organisationen lösen und in die Unterstützercommunity (die Crowd) verlagern.
Nun ist das Online- und Micro-Volunteering aber auch ein möglicher Weg freiwilligen Engagements, das an sich ja ebenso einige Vorteile verspricht:
- Auf der Makroebene sind freiheitlich-demokratische Gesellschaften auf eine aktive Bürgerschaft angewiesen, die, wenn nötig, ihre Rechte einfordert und sich mit schwächeren solidarisiert.
- Auf der Mesoebene arbeiten Organisationen, die das Erfahrungswissen und die unterschiedlichen Kompetenzen ihrer Stakeholder mit einbeziehen, nachhaltiger als jene, die sich vorrangig mit sich selbst beschäftigen.
- Auf der Mikroebene stellt freiwilliges Engagement ein Lernort für vielerlei soziale und technische Kompetenzen dar, die das „Humanvermögen“ steigern.
Es ist bislang nicht wirklich geklärt, ob sich die genannten Vorteile auch in einer aktiven Bürgergesellschaft entfalten, die sich vermehrt über das Internet engagiert. Ich glaube das schon, allerdings bedarf es hier noch einiger Forschung wie die im Rahmen des ICT4EMPL Future Work Projects (Joint Research Centre der Europäischen Union), in das Jayne Cravens noch bis Mitte August dieses Jahres involviert ist. Ich bin schon vor einiger Zeit auf das Wiki zum Projekt gestoßen, hatte mich seiner Zeit aber nicht weiter damit befassen können. Vor nicht langer Zeit, bat mich Jayne dann doch mal einen genaueren Blick zu wagen und deutsche Freiwilligenorganisationen zu ergänzen, die mit Online-Volunteers arbeiten.
[Searched are] NGOs or charity initiatives in Europe that are known to be involving online volunteers […] or organisations outside of Europe that are known to involve online volunteers from the EU. [Searched] is not, however, a comprehensive list of every charity, NGO or other initiative in Europe involving online volunteers […] Rather, this [sample] is meant to highlight the prevalence of Internet-mediated volunteering in Europe.
Es geht bei dieser Studie also nicht darum, alle Freiwilligenorganisationen in der EU zusammenzutragen, die jemals mit Online-Volunteers gearbeitet haben, sondern um eine Art Auswahl guter Beispiele aus Deutschland und der EU. Das Ziel dieses Forschungsprojektes ist es, acht typische Cases zu beschreiben und diese hinsichtlich der Schlüsselaktoren und Stakeholder sowie den treibenden und hindernden Faktoren und bzgl. Adaption, Nutzung und Outcomes des Online- und Micro-Volunteering in der EU zu untersuchen.
Wo finden wir die Online-Volunteers in Deutschland?
Ich habe einige Zeit hin und her überlegen müssen, bevor ich Jayne antwortete und ihr eine Handvoll Initiativen nannte, die meines Wissens regelmäßig und auch schon länger Möglichkeiten für das Online-Volunteering hosten. Das sind aber freilich nicht alle! Das Online-Volunteering gibt es in vielerlei Gestalt und — das meine ich zumindest — die verschiedenen Organisationsformen lassen sich in unterschiedlichen Typen fassen (hier ein Versuch):
Crowd-Engagement Programme | Programme, bei denen durch ständige Verfügbarkeit der Produktionsmittel (bspw. über offene Lizenzen) ein konkret benennbares Anliegen in eine nicht näher bestimmte Masse an Unterstützern (Crowd) ausgelagert wird.z.B. Wheelmap, Wikipedia, Selfpedia, Mozilla |
kampagnenorientierte Organisationen | Meist politisch motivierte Akteure, die das Internet und die Sozialen Medien nutzen, um Buzzzu erzeugen und so soziale Wandlungsprozesse in ihrem Sinne anzustoßen bzw. voranzutreiben suchen.z.B. Digitale Gesellschaft, Greenpeace |
Social Media Entrepreneurs | Netzaffine Akteure, die das Internet und die Sozialen Medien nutzen, um teilweise selbst mithin aber auch gemeinsam mit einer Unterstützercommunity entwickelte Lösungen über Botschafter und custumer engagementzu verbreiten und zu skalieren.z.B. 2aid.org, Viva con Agua, SOZIALHELDEN, Frankfurt-Gestalten, |
etablierte Freiwilligenorganisationen | Bereits etablierte Freiwilligenorganisationen, die mit dem Interneteinsatz im freiwilligen Engagement experimentieren, punktuell mit Online-Volunteers arbeiten oder auch schon Online-Volunteering-Programme gestartet haben.z.B. Peerberatung [U25] & Mein PlanB (Caritas), Entdecke das humanitäre Völkerrecht (Helpstars.at des ÖRK) |
institutionell gebundene Initiativen | Mindestens in wesentlichen Teilen durch Förderinstitutionen finanziert und hauptamtlich getragene Projekte und Initiativen, die unterschiedliche (förderungsfähige) Themen unter Zuhilfenahme des der ICT bearbeiten.z.B. Arbeiterkind, CyberMentor, OnlineVolunteering.org |
So, und jetzt ihr!
Ich glaube, es wird Zeit, die Verbreitung des Online- und Micro-Volunteering im deutschen Sprachraum etwas strukturierter anzugehen, um so einen besseren Überblick zu erhalten. Also:
- Glaubt ihr, dass die Typen und ihre Beschreibungen passen?
- Kennt ihr weitere Beispiele aus dem deutschsprachigen Europa?
- Kennt ihr NPOs, Projekte oder Initiativen, die nicht in diese Typisierung passen?
Wenn die Typisierung passt, könnte ihr m.E. auch der jeweilige Impact des Online-Volunteerings auf der Makro-, Meso- und Mikroebene beschrieben werden. Das Online-Engagement ist je nach Organisationsform unterschiedlich. Vom selbstbestimmten Engagement als Teil der Crowd bis zur Erledigung klar beschriebener Volunteer-Jobs als Online-Mentor o.a. Sicherlich, dieser Punkt wäre mit empirischen Erkenntnissen noch zu aufzufüllen, ein erster Schritt wäre aber sich selbst und (seine) Online-Volunteers zu fragen:
- Was bringt das Engagement für die Gesellschaft — das große Ganze? Wie sähe unsere Gesellschaft aus, wenn sich sehr viele Freiwillige über das Internet engagieren würden?
- Was bringt das Engagement der Freiwilligenorganisation? Wie entsteht Mehrwert aus dem Online-Engagement? Warum investiert man in das Online-Volunteering Zeit, Mühe und Geld?
- Was bringt das Engagement für den Einzelnen? Was haben die Online-Volunteers davon, sich über das Netz zu engagieren? Was genau ist der Return on Engagement — das gute Gefühl, der Spaß bei der Sache, die Gemeinschaft (Engagement mit Freunden) …?
Es wäre natürlich wahnsinnig hilfreich, würdet ihr diese Fragen weiterschicken. Vielleicht kennt ihr jemanden, der oder die hin und wieder — vielleicht auch regelmäßig — mit Online-Volunteers arbeitet. Ich freue mich auf eure Kommentare …
tl;dr: Das Engagement über das Internet kommt auch hierzulande an; in unterschiedlichster Gestalt. Für einen besseren Überblick sollten wir zusammen Schubkästen bauen.
[…] – Teil 2 – Impressumspflicht, Persönliches und beliebte Fragen an Anwälte Hannes Jaehnert: Schubkästen für das Online-Volunteering schwindt-pr: Facebook-Beiträge auf Websites oder Blogs einbetten schwindt-pr: Kleines Google+ […]
Mit vielem bin ich aufgewachsen. Man könnte mich etwa einen Auto-, TV- oder Fußball-Native nennen. Ich habe noch im richtigen Leben Beziehungen und Freundschaften zu schließen und zu pflegen gelernt. So hatte ich mich also in der analogen Welt ganz behaglich eingerichtet.
Bis dann das neue Land, von dem die Kanzlerin spricht, entdeckt wurde. Erst habe ich dieses Land noch aus der Entfernung betrachtet. Aber dann, als in Neuland ungeahnte technische Fortschritte gemacht wurden, blieb mir doch nichts anderes übrig als neuländisch zu lernen, wenn ich beruflich und privat weiter mitreden wollte. Einigermaßen hat das auch geklappt. Mittlerweile kann ich mich für meine Belange ganz gut verständlich machen, besser als ursprünglich gedacht. Nicht dass ich die Eingeborenen – die Digital Natives – immer sofort verstehen würde! Aber die sind durchaus hilfsbereit und bemühen sich um eine Übersetzung ins Altländische, wenn sie merken, dass ich als Digital Immigrant nicht mitkomme. Verständigungsprobleme gibt es nur mit den sogenannten Nerds. Das sind Neuländer, die keine Fremdsprache können, also ausschließlich neuländisch sprechen und das auch noch rasend schnell.
… wie kriege ich jetzt nach dieser Einleitung die Kurve zu Hannes` Artikel und den Schubkästen?
Vielleicht so: Das Internet bietet in vielen Bereichen hervorragende Möglichkeiten zum freiwilligen Engagement. Dies habe ich bei mir selbst festgestellt, obwohl ich anfangs natürlich skeptisch war, wie es sich für einen Immigrant gehört.
Seit vielen Jahren betätige ich mich im „klassischen“, vorwiegend (noch) analogen Ehrenamt, insbesondere in Sportvereinen und beim Landessportbund Hessen e.V. Das heißt vor allem Ehrenämter in Sportvereinen und ehrenamtliche Beratungsleistungen für solche Vereine. Als sportbegeisterter Mensch machen mir solche Betätigungen Spaß, man sorgt als Funktionär (im richtig verstandenen Sinn) dafür, dass der Sport- und Vereinsbetrieb funktioniert. Dies halte ich für eine sinnvolle Sache in einem gesellschaftspolitisch ungemein wichtigen Bereich. Und für meinen Beruf als Rechtsanwalt ist der daraus resultierende Bekanntheitsgrad sicher auch nicht schädlich. Allerdings sind diesem Engagement Grenzen gesetzt. Aus Zeitgründen will ich mich in dieser oder ähnlichen, zeitraubenden Weise nicht zusätzlich und schon gar nicht in anderen Bereichen freiwillig engagieren, obwohl mich viele andere Facetten der Freiwilligentätigkeit durchaus interessieren. Auf der anderen Seite möchte ich mein Engagement im Sport auch nicht reduzieren.
Hier kommt das Internet ins Spiel.
Das Internet macht es leicht, neue Möglichkeiten des freiwilligen Engagements kennen zu lernen und auszuüben. Es ist nicht notwendig, in einen Verein einzutreten oder langjährige Verpflichtungen einzugehen. Man kann sich an bestimmten Projekten oder Fragestellungen beteiligen, mit denen man sonst wahrscheinlich nicht in Kontakt gekommen wäre. Die Möglichkeiten reichen – wie Hannes schon dargelegt hat – von einer einmaligen Hilfe (z.B. Beantwortung einer, in einem sozialen Netzwerk aufgeworfenen Rechtsfrage, die für einen Juristen mehr oder weniger schnell zu beantworten ist) bis hin etwa zur Übernahme einer definierten Freiwilligentätigkeit, die (auch) mit Hilfe des Internets ausgeübt wird. Dabei kann der „Online-Teil“ vielfältige Funktionen übernehmen. Er kann beispielsweise auch die Akteure zusammenführen, wie in folgendem Beispiel:
Als Digital Immigrant habe ich es irgendwann gewagt, mich in Soziale Netzwerke zu begeben (Twitter und Googie+; im dritten großen Netzwerk bin ich bis heute nicht, das bin ich meinem Immigranten-Status schuldig). Dort habe ich viele interessante Organisationen, Projekte und Leute „vorgefunden“. Einige habe ich dann auch im richtigen Leben kennen gelernt. Telefon zähle ich übrigens zum richtigen Leben dazu, denn ich bin immerhin auch Telefon-Native (Ich weiß, dass das heutzutage einer strengen Betrachtung nicht immer standhalten wird – wie auch etwa bei Fernsehen und Autos -, aber Grauzonen machen das Leben ja erst interessant …)
Auf diese Weise wurde ich auf ein Veranstaltungsformat aufmerksam, mit dessen gemeinwohlorientierter Zielsetzung (kurz: Förderung von sozialer Verantwortung und Zivilgesellschaft mittels Internet) ich mich ohne weiteres identifizieren konnte. Ich war daher sehr gerne bereit, im Rahmen einer bestimmten und abgegrenzten Aufgabenstellung pro bono Beratung zu leisten. Es ging um die interne Organisation. Praktisch fand diese Mitarbeit im Internet (Texte und Unterlagen zur gemeinsamen Bearbeitung in der Cloud) und am Telefon statt. Dies war für mich zeitlich gut leistbar und brachte mir Einblicke in einen für mich bis dahin weniger bekannten Engagementbereich, den ich auch in Zukunft gerne unterstützen werde. Also Vorteile und neue Erkenntnisse für beide Seiten.
Hier war die digitale Welt also Mittel zur Zusammenführung und Arbeitshilfe.
In welche Schublade passt das? Nr. 3, die Social Media Entrepreneurs? Verwandtschaft besteht hier sicher. Allerdings wird keine bereits entwickelte Lösung vorangetrieben. Es bestehen zwar allgemeine Vorstellungen (Förderung der Zivilgesellschaft), die sich dann aber erst im weiteren Prozess – im Rahmen von öffentlichen Veranstaltungen (Barcamps) – hin zu Lösungen entwickeln können, aber auch nicht unbedingt müssen.
Also Nr. 3 umformulieren und statt Lösung Ideen, Vorstellungen oder Ziele schreiben?
Es finden sich nämlich innerhalb dieser Gruppe Organisationen/Vereine, die eine bestimmte Vorstellung von Zivilgesellschaft bzw. soziale/politische Zielsetzung vertreten (z.B. Inklusion, Umweltschutz, Basisdemokratie) und diese auf vielfältige Weise – aber immer mit engem Bezug zum Internet und den sozialen Medien – nach außen vertreten und verwirklichen wollen. Möglichkeiten zum Online-Volunteering bieten sich zum einen innerhalb der Organisation, also etwa bei vereinsrechtlichen oder sonstigen Problemlagen, die die interne Organisation betreffen, oder bei der Umsetzung der jeweiligen Zielsetzung (z.B. Gestaltung der Webseiten, Verbreitung der Ziele in sozialen Medien, Mitwirkung an Projekten).
Danke Frank für diese Geschichte deiner Immigration ins #Neuland bei gleichzeitiger Fortsetzung (qua Interesse) deines zivilgesellschaftlichen Engagements.
Vielen Dank auch für den Hinweis auf Ideen statt Lösungen! Das werde ich in die Typisierung einbauen.
Gruß
Hannes