Anfang dieser Woche, genauer am Montag den 02. März, war ich als Engagementblogger mit dem Schwerpunkt Online-Volunteering beim Forum „Digitales Bürgerschaftliches Engagement“ im Bundesministerium des Innern, um in einer illustren Runde über die Möglichkeiten der Förderung „digitalen Ehrenamts“ zu diskutieren. Das Forum war das vierte einer ganzen Reihe, im Rahmen derer unterschiedliche Handlungsfelder und Schwerpunkte der Digitalen Agenda unserer Bundesregierung besprochen werden sollen.
Geladen war ein interessanter Kreis aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft:
- Von der Bundespolitik waren nebst Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU), Willi Brase (SPD) Vorsitzender des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement im Deutschen Bundestag sowie Ralf Kleindiek (SPD) beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend („und Engagement“) zu gegen.
- Für das „technische Ehrenamt“ im Bevölkerungsschutz waren Albrecht Broemme „Chef des Technischen Hilfswerkes“ und Christoph Unger vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe da.
- Kirchen und Verbände wurden durch Uwe Pöttgen, CIO des Malteser Hilfsdienstes, und Detlef Rückert, juristischer Referent der evangelischen Kirche in Deutschland, repräsentiert.
- Aus der übrigen Zivilgesellschaft war nebst meiner Person Tim-Moriz Hector, Vorsitzender des Wikimedia Deutschland e.V., und Joana Breidenbach, betterplace.org, eingeladen.
- Und auch die (Internet-) Wirtschaft war mit Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung, Gabriele Hartmann, Ressortleiterin Unternehmensengagement der SAP SE, und Marianne Janik von Microsoft Deutschland vertreten.
- Mit wissenschaftlicher Expertise wurde die Runde von den Professoren Sebastian Braun, vom Forschungszentrum für bürgerschaftliches Engagement der Humboldt-Universität zu Berlin, und Thomas Rauschenbach, vom Deutschen Jugendinstitut, unterstützt.
Gleichwohl Markus Beckedahl auf Netzpolitik moniert, dass ihm SAP, Microsoft und Vodafone nicht unbedingt als die ersten Dialogpartnern für das Thema Ehrenamt in den Sinn gekommen wären, fand ich die Zusammensetzung nicht verkehrt. Das freiwillige, bürgerschaftliche Engagement — ob online oder vor Ort — bewegt sich zwischen Staat, Markt und Familie. Warum sollte man diese Trisektoralität amputieren?
Die Standpunkte in der Diskussion
Die Diskussion wurde — wie bei den anderen Foren auch — per Video festgehalten. Wer sich ein eigenes Bild des Diskutierten machen will, sollte sich die knapp 120-minütige Aufzeichnung anschauen. Etwas kürzer will ich hier die Inhalte und Standpunkte aus meiner Perspektive wiedergeben. Zwei Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
Wie kann das Ehrenamt in Zeiten omnipräsenter Informations- und Kommunikationstechnik neu gedacht werden?
Zunächst wurde darauf verwiesen, dass es schon einige gute Ansätze gibt, die es zu unterstützen, zu Sammeln und zu promoten gilt. Der Schwerpunkt lag dabei vor allem auf der Beschleunigung von Vermittlungsprozessen — also der Frage, wie das ehrenamtliche Angebot schnell zum bedürftigen Abnehmer kommt und vice versa. Mark Speich hob in dem Zusammenhang gleich auf „Big Data for Good“ ab und zeigte anschaulich, dass die Diskussion um IT und Ehrenamt auch schnell über die Förderung freiwilligen Engagements hinausschießen kann.
Die — zugegeben — nicht ganz neue Idee, dass freiwilligen Engagements auch über das Internet geleistet werden kann, brachte ich an dieser Stelle ein. Freiwilliges Engagement als Online- und Micro-Volunteering möglich zu machen, kann schließlich helfen, neue Zielgruppen für das freiwillige Engagement zu gewinnen. Dabei wies ich aber auch gleich darauf hin, dass es sich beim Online-Volunteering nicht um eine Sonderform des Ehrenamts als sondern ’nur‘ um einen neuen Weg des freiwilligen Engagements handelt und entsprechend gute Rahmenbedingungen vorhanden sein müssen.
Ein weiterer Aspekt betraf die Einbindung freiwillig Engagierter in den Workflow von Sozialdienstleistern — also die Freiwilligen-Verwaltung. Abgestellt wurde hier insbesondere auf die Notwendigkeit verlässliche Dienstleistungen in einem Welfare-Mix aus Haupt- und Ehrenamt anbieten zu können. Auch hierfür wurden gute Beispiele wie der Ehrenamtsmanager der Stiftung Gute Tat genannt. Die kritische Rückfrage von Minister de Maiziere, was daran neu gedacht wäre und ob nicht eigentlich die Betroffenen im Mittelpunkt stehen sollten, zeigte, dass (auch) er sich Digitales Bürgerschaftliches Engagement anders vorstellt.
Wie kann die Politik das Digitale Bürgerschaftliche Engagement fördern?
Für den Punkt Freiwilligengewinnung wurde vorgeschlagen, die wesentlichen Akteure im Netz zueinander zu bringen. Die einfache Idee einer „Ehrenamtssuchmaschine“ wurde recht bald mit Vorschlägen rund um das Mapping von Engagementangeboten (z.B. in Form einer Smartphone-App) und den Einbezug solcher Player wie LinkedIn ergänzt. Das Businessportal hat ja vor etwa einem Jahr begonnen, die Profile des User um den Aspekt ehrenamtlichen Engagements zu erweitern.
Hinsichtlich der Förderung des Online-Volunteerings in Deutschland wurde der Aspekt der Medienkompetenz von Mitarbeitenden in lokalen Nonprofits diskutiert. Ich hatte hierzu kurz ausgeführt, dass dies auf den drei Ebenen des Wissens, des Könnens und des Wollens geschehen müsste und die jeweiligen Fördermöglichkeiten deutlich gemacht: In puncto Wissen geht es einerseits um die Erforschung der Effekte verstärkter IT-Nutzung im Ehrenamt, andererseits aber auch um das offenbar gar nicht triviale Wissen um die Möglichkeiten, die es schon gibt. Auf der Ebene des Könnens geht es insbesondere um das Ausprobieren und (gemeinsame) Lernen — also die Frage, was funktioniert in welchem Kontext und was nicht und damit auch um die Frage von Wissentransfer. Mit Blick auf die dritten Ebene des Wollens rücken Fragen der Change Agency in Nonprofits in den Fokus, die es gezielt anzusprechen gilt.
Was die Freiwilligen-Verwaltung im „technischen Ehrenamt“ und bei Sozialdienstleistern anbelangt wurde vor allem die Förderung von Strukturen — „Cloud Services“ — vorgeschlagen, die helfen, alltäglich und verlässlich Dienstleistungen anzubieten. Welche Rolle das digitale Ehrenamt hier spielt, illustrierte Christoph Unger mit seiner Abwägung zwischen Mensch und Maschine:
Wenn ich […] die Katastrophenlage habe und brauche jetzt Informationen, können dann diese ehrenamtlichen Strukturen, die da irgendwo an ihren Rechnern weltweit sitzen, mir diese Informationen geben oder kommt ein […] Unternehmen und bietet mir die Serviceleistung oder die Hardware an und sagt ‚ich geb‘ dir ein Programm, das ersetzt dir 100 oder 1.000 Kolleginnen und Kollegen, die da irgendwo sitzen‘, dann nehme ich vielleicht doch die 1.000.000 EURO in die Hand und kaufe mir diese Technik (min 1:42,30).
Das Fazit zum Schluss
So haben wir also zwei Stunden diskutiert und es taten sich die üblichen Gräben auf. Auf der einen Seite jene, die sich die Förderung eines Ehrenamts mit Eigensinn und Innovationskraft wünschen, auf der anderen Seite die Verwalter umfangreicher Ressourcen, die Sicherheit und Verlässlichkeit herstellen wollen. Und dazwischen der Bundesinnenminister, der die Runde mit den Worten eröffnete „Was wir hier nicht diskutieren, ist allgemein Ehrenamt.“
Doch wie dem auch sei! Einige Möglichkeiten Digitales Bürgerschaftliches Engagement zu fördern, lagen auf dem Tisch und mit dem Vorschlag der Förderung von Medienkompetenz war ich nicht allein.* Anschließend an ein paar Beispiele aus Gesprächen mit lokalen Nonprofits hob auch Tim Moriz Hector von Wikimedia Deutschland hervor, dass Medienkompetenzen — eher im kulturellen denn im technischen Sinne — eine wesentliche Bedingung für die aktive Nutzung vorhandenen Möglichkeiten der IT sind.
Doch das letzte Wort in dieser Runde hatte freilich der Gastgeber. Und der zog in seinem Stegreif-Resümee ein ernüchterndes Fazit:
Ich sehe wenig Möglichkeiten [oder] vernünftige Sachen für irgendwelche klassischen Förderprogramme. Da geschieht so viel, da laufen wir nur hinter her.
Wo ich mir was vorstellen könnte, wäre in dem ganzen Bereich Sicherheit [und] Verlässlichkeit. Dass da öffentliche — muss ja auch nicht unbedingt staatlich sein — Strukturen aufgebaut werden, die einen hohen Glaubwürdigkeitsfaktor haben [z.B. DZI-Spendensigel oder fsk-Altersfreigabe]
Aber vielmehr könnte ich mir da nicht vorstellen […] Klassische Förderprogramme zur Medienkompetenz — ich wüsste nicht, wie das geht. Was meinen Sie was Volkshochschulen für gute Sachen anbieten? (min 2:00,00)
* Übrigens auch das Frauenhofer Institut, das ja vom BMI mit dem Whitepaper zum „Digitalen Bürgerschaftlichen Engagement“ beauftragt wurde, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis.
„Klassische Förderprogramme zur Medienkompetenz – ich wüßte nicht, wie das geht“, – schade, wenn im Ministerium so wenig Ideen zum Thema vorliegen.
Dabei wurde doch von mehreren Gesprächsteilnehmern und Praktikern betont, wie wichtig Weiterbildungen gerade auch für den Dritten Sektor sind, der vor Ort das institutionelle Rückgrat der Zivilgesellschaft bildet und eine wichtige Rolle als Multiplikator inne hat. Bürger/innen brauchen Nonprofits, die in digitaler Hinsicht fit sind. Schade, wenn dies auf Bundesebene nicht durchgängig so gesehen wird.
Interessante Runde! Ich wollte an dieser Stelle auf die Freiwilligendatenbank der Aktion Mensch aufmerksam machen. Hier kann jede/r gezielt sein Engagement vor Ort und nach Interessengebiet suchen und finden: http://www.freiwilligendatenbank.de