Ole Seidenberg hat in der nun dritten Runde der NPO-Blogparade gefragt, wie es denn mit der Kehrseite des Web 2.0-Hypes für den dritten Sektor aussieht — die dunkle Seite des Mitmachwebs also. Eine berechtigte Frage, meine ich. So lassen sich die entsprechenden Entwicklungen zwar nicht aufhalten, wir können aber Web 2.0-Anwendungen in Zukunft vielleicht bewusster nutzen und mit dem Wissen um eventuelle Folgen vorbeugende Maßnahmen treffen.
Eine Folge des Web 2.0 — ob dies nun positiv zu bewerten ist oder nicht, sei dahin gestellt — ist die Veränderung der gesellschaftlichen Kommunikation. Dass das Social Web unsere Kommunikation verändert, wird besonders deutlich an der Erstellung der Internetenzyklopädie Wikipedia.org seit 2001. Hier werden von verschiedenen Nutzer(innen)gruppen — den Wikipediandern — einzelne Themen aufgegriffen, kollektiv bearbeitet und so konsensfähige Erkenntnisse produziert, die über das hinausgehen, was sich der oder die Einzelne selbst ausdenken kann (vgl. Meckel 2008 S 17ff). Dabei trägt jeder und jede mehr oder weniger kleine Teile zum Ganzen bei. Dass die Wikipedia ein tolles Projekt ist, will ich nicht bestreiten, doch zeigt sie uns an prominenten Beispielen (1, 2, 3), dass sich diese Art der kollaborativen Erkenntniserzeugung kommunikativ Verselbstständigt und das kann eben auch Nachteile haben, mit denen nicht alle leben können. Und genau hier liegt — meine ich — die Ursache eines Problems, dass NPOs durch die Nutzung von Social Media entstehen kann. Wenn wir uns nämlich anschauen, wie über den kleinsten gemeinsamen Nenner hinaus produziert werden kann (ebd. S. 19), dann kommen wir leicht zu dem Schluss, dass dies durch die Verwendung zur Verfügung gestellter Informationen geschieht, die im speziellen Zusammenhang mehr oder weniger kollaborativ wieder logisch verknüpft werden. Das Problem dabei ist weniger die Neuverknüpfung verfügbarer Informationen zu neuen Erkenntnissen — im Gegenteil (!) das ist ja gerade der Vorteil des Social Webs — sondern die Verknüpfung selektiv ausgewählter Daten. Egal ob Informationen absichtlich oder unabsichtlich selektiv ausgewählt werden, der (hoffentlich) gute Name der Organisation wird so für eine gewisse Zeit beschädigt.
Wenn in den Zeiten der „Gatekeeper“ eine Organisation diese gewisse Zeit der Richtigstellung noch in einem annehmbaren Rahmen halten konnte, können sich solche kollaborativ erzeugten Fauxpas´ im Social Web lange halten. Schon 1964 wurde im Rahmen der RAND- Studie belegt, dass die dezentralisierte Datenspeicherung gegen Angriffe besser besteht als die zentrale. Meinte man damals den Ausfall — oder wie es heute häufig dargestellt wird: die Zerstörung — eines zentralen Speicherortes, dessen Folgen mit der Dezentralisierung vermieden werden sollten, ist es heute das Wissen vieler — und damit das Nicht-Vergessen-Können — das zum Problem für die Nutzer(innen) des Social Webs werden kann. Soll also heißten: Ist eine Information einmal im Netz, bekommt man sie da nicht mehr so einfach raus. Wie Niklas Luhmann (1998) schon bezüglich der schriftlichen Kommunikation feststellte, verändert sie „die Möglichkeiten, ein soziales Gedächtnis einzurichten, das von den […] einzelnen Menschen unabhängig ist“ (Luhmann 1998, S. 289)
Was also tun gegen diese negative Folge des Social Webs? Wie kann der Kontrollverlust über die Kommunikation im Social Web vermieden werden?
Meine Antwort scheint so einfach wie erschreckend: Gar nicht(s)! Es ist schlicht nicht möglich — und es wäre töricht es zu versuchen — stabile (Kommunikations-) Systeme — wie etwa freie Wikis oder die Blogsphäre — zu steuern. Sie steuern sich selbst und das kann eben auch zum Nachteil einzelner geschehen (siehe oben). Was NPOs machen können, die solche Folgen der Veränderung gesellschaftlicher Kommunikation vermeiden wollen, ist schlicht: teilnehmen. Sie können dem Zusammensetzten zu selektiv ausgewählter Informationen nur vorbeugen, in dem sie alle relevanten Informationen zugänglich machen. In dem sie transparent sind.
Es geht hier eigentlich um die Frage: Alles oder Nichts? Wobei „Nichts“ auch keine Lösung ist, denn zwischen dem ordinären Internetauftritt im Stile und Sinne des Web 1.0 und dem Social Web steht keine Mauer. Wer sich interessiert findet Informationen. Ob die aber vollständig sind und das wirkliche Bild einer Organisation widerspiegeln ist fraglich.