In der zehnten Runde der NPO-Blogparade fragt Gerald Czech (RedrossSocialist) nach integrierten Kommunikationsstrategien für jugendliche Zielgruppen. Es geht ihm dabei vorrangig um die Zukunftsfähigkeit sozialer Organisationen und Projekte – also grob gesprochen um die Engagementförderung Jugendlicher. Gerald Czech schreibt:
„Ich stelle mir daher die Frage, ob es […] Sinn machen würde, ganz gezielt junges Publikum […] anzusprechen, um es für die Werte dieser Organisationen zu sozialisieren und damit auch die Basis für zukünftige Aktivitäten zu schaffen?“
Angesichts der allgegenwärtigen Nachwuchsschwierigkeiten sozialer Organisationen vom (D)RK bis zur Caritas, würde ich spontan sagen: JA! Zumal die Förderung gemeinnützigen Engagements per se eine wünschenswerte Sache und auch (seit 2007) eine Aufgabe gemeinnütziger Vereine (pdf) ist.
Es scheint mir ausreichend bewiesen, dass sich freiwilliges Engagement (und das umfasst hier Geld-, Zeit oder Skillspenden) zumeist durch die gesamte Biographie zieht und nicht ausschließlich im Jugend-, Erwachsenen- oder Rentenalter geleistet wird (vgl. Düx et al.). Zwar verschieben sich die Interessen sowie das Zeit- und Geldbudget im Laufe einer Engagementbiografie (Freiwilligensurvey, 60 sowie 272), doch zieht sich die Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit zumeist durch das gesamte Leben engagierter Menschen. Je früher also mit der Engagementförderung begonnen wird, desto besser!
Der nicht so einfach zu beantwortende zweite Teil der Frage dieser Blogparade ist, wie integrierte Kommunikationsstrategien aussehen können, die jugendlichen Zielgruppen ansprechen und sie für die für die Werte dieser Organisationen sozialisieren. Ich will versuchen mit Überlegungen zum Kriterium der Integrationsfähigkeit, das im Rahmen dieser NPO-Blogparade (Runde #4) im Zusammenhang mit spendenwerten Organisationen schon einmal kurz diskutiert worden ist, nachzugehen.
Die Idee der Integrationsfähigkeit einer „spendenwerten“ Organisation zielt auf die ganz individuelle Sicht der Unterstützerinnen und Unterstützer: Nämlich die auf ihre Organisation. Es gilt mit der Kommunikation an den Lebenswelten der Spendenden anzusetzen und die Organisation entsprechend deren Wünschen und Zielen (weiter) zu entwickeln. Die Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ spricht an dieser Stelle von „institutioneller Passung“, fokussiert damit aber mehr auf die entsprechende Flexibilität einer Organisation als auf die Kommunikation darüber (Deutscher Bundestag 2002, 39).
Um hier einmal den Jargon des Marketings zu gebrauchen: Es geht also um die zielgruppenspezifische Profilierung einer Organisation – „das Zurschaustellen einer bestimmten Eigenart […] um sich von Anderen abgrenzen zu können“ (Wiktionary). Doch wie können sich große (Massen-) Organisationen profilieren, wenn sie doch tausenden und abertausenden verschieden Menschen gerecht werden müssen? (Das Rote Kreuz bspw. zählt in Deutschland zirka vier Mio. Mitglieder)
Die Antwort: Dezentralisierung! Große Organisationen, die vielen Menschen gerecht werden wollen, müssen sich mehr und mehr auf die Koordination vieler kleiner Projekte konzentrieren, die jeweils für sich in der Lage sind, sich den Zielen und Wünschen ihrer Unterstützenden anzupassen. Die meisten großen Organisationen tun dies auch, was wiederum zu einem Problem führt, das Gerald Czech mit dem Wort „diffus“ treffend beschreibt: Durch die Dezentralisierung werden große Organisationen für die Zielgruppen ihrer einzelnen Projekte und Einrichtungen schwer fassbar. Die großen Organisationen rücken sich selbst hinter ihre einzelnen Projekte und zählen damit nicht unmittelbar zur Lebenswelt ihrer Adressaten – sie integrieren sich nicht in deren Leben.
Hierzu ein Beispiel: Eine Gruppe Teenager geht regelmäßig in einen Jugendclub der Caritas. Die Teens besuchen diese Einrichtung weil der Club in der Nähe ihres Zuhauses ist, weil sie die Sozialarbeiter(innen) kennen und weil da eine Couch steht, auf der sie gerne zusammen sitzen, Playstation spielen und sich unterhalten.
Weil sich mit der Zeit in ihnen der Wunsch entwickelt ihre Couch und den Raum darum etwas individueller zu gestalten, erklären sie sich bereit mit den Farbresten aus dem Keller, einem Tacker und ein bisschen Stoff, Couch und Raum in neuem Glanze erstrahlen zu lassen. Sie engagieren sich freiwillig und sehen, dass sie dabei gewinnen. In den folgenden Jahren engagieren sie sich weiterhin; zunächst noch für ihren Jugendclub beim Straßenfest oder Kiez-Subotnik, dann an der Universität als Mitglieder des Fachschafts- oder Studierendenrates, später vielleicht in einem Sportverein oder einer Partei. Einige spenden sogar Geld an Ärzte ohne Grenzen und das Rote Kreuz, weil sie sich in der Pflicht sehen, den Flutopfern im In- und Ausland zu helfen.
Für den Jugendclub sind sie zu alt geworden. In ihrem Raum steht jetzt ein Kicker, den andere Jugendliche liebevoll restauriert haben…
Das Beispiel dieser Jugendclique, deren Mitglieder ihre Engagementbiographie in der Einrichtung einer großen Organisation beginnen, ist zwar frei erfunden, aber nicht völlig aus der Luft gegriffen. Viele, die sich einmal engagierten tun dies in ihrem Leben immer wieder (siehe oben), viele Engagierte gehören bildungsnahen Gesellschaftsmilieus an (Freiwilligensurvey Seite 20f.) und viele Engagierte spenden auch, wenn sie das dafür Geld haben. An wen sie allerdings spenden, hängt wenig mit der Organisation zusammen, deren Werte sie in ihrem Engagement – zumindest indirekt – einmal mitgetragen haben.
Im Beispiel war es eine Einrichtung der Caritas, für die sich die Jugendlichen engagierten und in der die Trägerorganisation – wie in vielen anderen Einrichtungen auch – wenig bis gar keine Rolle spielte. Es hätte genauso gut eine Einrichtung der Kommune sein können oder vielleicht auch eine der Kirche. Bis auf den Namen – meine ich – hätten sich die Einrichtungen nicht wirklich unterschieden.
Hier müssen also Kommunikationsstrategien ansetzen, wenn das Engagement Jugendlicher und junger Erwachsener schon früh an eine bestimmte Organisation gebunden werden sollen. Es darf also nicht mehr nur ihr Jugendclub, sondern auch ihre Trägerorganisation sein. Die Werte und Ziele einer Trägerorganisation – die selbstverständlich freiheitliche sein müssen (!) – sollten also schon so früh wie möglich vermittelt werden, was wiederum zum nächsten Problem führt: Die Integration vermittelnder Kommunikation.
Meiner Ansicht nach ist die Vermittlung bestimmter Inhalte, Werte und Ziele eine methodische Herausforderung an Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den Jugendeinrichtungen für die sicherlich auch das Internet bzw. Social Media geeignet sein kann. Hier – könnte man also salopp sagen – müssen SIE sich etwas Neues einfallen lassen. Neu in dem Sinne, dass es weder an vermittelnder Kommunikation für Kinder noch der für Erwachsenen wohl aber an der für Jugendliche mangelt. Gesellschaftliche, ökologische oder politische Problemlagen, zu der jede größere Organisation qua Tradition einen eigenen Lösungszugang bereithält, in einer Tageszeitung für Erwachsene wie die Betreuenden (vielleicht die FAZ oder die TA?!) oder einem Journal für deren Kinder (LOGO beim ARD) zu präsentieren kann nicht gelingen.
Die (Leit)Ziele und Werte einer Organisation müssen also lebensnah präsentiert werden und an den Alltag der Jugendlichen anknüpfen. Christliche Werte bspw. als abstrakte Leitsätze einer Organisation im Jugendhaus auszuhängen ist wenig sinnvoll. Besser scheint mir zu sein, die Werte vorzuleben und sich in Diskussionen mit Jugendlichen – ob über das Internet (Studi- bzw. SchuelerVZ) oder im Real-Life – darauf zu beziehen.
Schließlich sei hier zum Schluss noch darauf hingewiesen, dass trotz der allgegenwärtigen Proklamierung einer „Generation-@“ das Internet nur ein kleiner Teil des Medienalltags Jugendlicher ist (Nielsen REPORT Jul. 2009). 23 Minuten verbringen Jugendliche durchschnittlich am Tag im Netz. Sie besuchen häufig Social Networks und schauen und kommentieren Videos und Weblogs. Mit steigendem Content wird die Verweildauer immer geringer und die eingehende Beschäftigung mit einem bestimmten Thema immer seltener, was hier wiederum Fragen lässt, ob das Internet für die Kommunikation von Werten und Zielen einer Organisation der geeignete Ort ist.