Beyond #IceBucketChallenge

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Herzlichen Dank Gerald für die Nominierung!
Hurra! Es wurde eine Methode entdeckt, Menschen zu mobilisieren: die Nominierung. Sie funktioniert im wahrsten Sinne des Wortes viral — also ansteckend, von einem zum anderen — und passt wunderbar zu der sich seit Jahren auf die private Interaktion zurückentwickelnden Kommunikation im Netz. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, dass ich 2011 beim Zukunftskongress des DRK in Münster über die Stärken schwacher Beziehungen gesprochen und gesagt habe, man solle doch Ehrenamtlichen gestatten in ihren Netzwerken über Ihr Engagement zu erzählen und so den Weg für Ansteckung frei machen.
Natürlich hatte ich da nicht Bier-exende Jugendliche im Sinn, die sich auf Facebook wie Fallobst darstellen. Auch Eiswasser ist mir nicht in den Sinn gekommen! Deshalb freue ich mich umso mehr, dass nun ein Weg aufgezeigt wurde, wie diese Netzwerke gezielt in Schwingung zu versetzen sind. Man nehme:

  • Irgendeine anormale Aktion, die geeignet ist, um damit im Netz zu posen (Dokumentierbarkeit, Kurzweiligkeit, Nachahmbarkeit, …),
  • verknüpfe sie mit einem ersthaften Anliegen, das irgendwie auch wichtig aber eben nicht Poser-wichtig ist und
  • belohne Menschen, die es tatsächlich tun, damit auch andere auffordern zu dürfen, dieses anormale Verhalten an den Tag zu legen.

Tolle Sache diese #IceBucketChallenge?!

Zweifellos haben die Anstoßgeber der Eis-Kübel-Herausforderung (was ein Wortungetüm im Deutschen) einen großen Erfolg zu feiern. Sie haben Millionen Dollar an Spenden eingetrieben und eine schreckliche Krankheit über die Sozialen Medien in die persönlichen Netzwerke vieler tausend Menschen gebracht. Aber wie hieß diese Krankheit noch gleich? Irgendwas mit „A“ und Muskeln… Und wie waren noch gleich die Spielregeln? Eiskübel über’n Kopf und Freunde nominieren. Was sonst?!
In den sozialen Netzwerken, in denen ich so unterwegs bin, wurde das Eis-Kübel-Meme zuerst bestaunt, dann gelobt und dann für tot erklärt — binnen etwa drei Wochen. Ich war da skeptisch und kommentierte einen @carta_ Artikel zum Thema entsprechend:
Na ich weiß ja nicht
Andi Wieland von den SOZIALHELDEN in Berlin dagegen meinte, dass die Aktion wirklich ein voller PR-Erfolg für ein wichtiges Thema sei und machte mich ein bisschen nachdenklich.
andi tweetSicher ist es ein großer Erfolg der #IceBucketChallenge viel Geld eingespielt zu haben. Doch darum ging es doch nicht ausschließlich, oder? Wie Andi auch, unterstelle ich jetzt einfach mal, dass die Initiatoren der Aktion mehr im Sinn hatten, als nur Leute anzustiften, Geld zu spenden. Ich meine, dass es auch was mit Aufmerksamkeit für das Thema — ich habe jetzt gerade keine Lust zu Googeln, wie das noch gleich hieß — zu tun hatte. Auch dahingehend soll die Aktion ja ein genialer PR-Streich gewesen sein: Millionen Menschen ist jetzt diese Krankheit mit „A“ gegenwärtig. Sie alle wissen jetzt, dass es sie gibt und dass man für die Entwicklung ihrer Heilmitteln und -verfahren spenden kann. Vorher wussten sie das nicht.

Was bleibt von der #IceBucketChallenge?!

Gerald Czech schreibt zur Kalt-Wasser-Herausforderung: „Just do it!“ Wie ich auch, ist er über das IceBucket-Meme erfreut, weil es so scheint, als habe sich das Rauschen im Netz als „sechster Sinn in der Populärkultur etabliert“. Zudem, so Gerald, regt das Mitmachen über die Aufführung einer nicht alltäglichen Szene (ich will nicht immer anormal sagen) mehrere Wahrnehmungsebenen an und sei damit sogar pädagogisch wertvoll. Darüber hinaus schreibt er:

Wenn weltweit Millionen Menschen zudem noch einen kleinen Betrag an eine NPO spenden und sehen, dass ihnen das Geld am Ende des Monats gar nicht fehlt und dass es nicht weh tut, NPOs zu spenden, so ist ein weiterer Schritt passiert. Ich bin mir sicher, dass viele Freunde in meiner Timeline, die nun Geld gespendet haben, dies zum aller ersten mal gemacht haben. Ich hoffe sie tun das weiter, denn für das eigene Glücksgefühl ist es unerheblich wofür man das Geld spendet, inwiefern man altruistisch ist.

Das ist so ungefähr auch der Tenor, den ich hinsichtlich des Outcomes der #IceBucketChallenge, der über die Akquise von viel Geld hinaus geht, in meinen Netzwerken heraushöre und -lese. Doch ist das nicht ein bisschen wenig, um es als genial und innovativ zu feiern? Ist das nicht das übliche Marketinggewäsch von wegen ‚jetzt haben wir nichts, später haben wir irgendwas‘?
Mir zumindest kommt es so vor! Mir kommt die Suche nach dem heiligen Gral des Online-Campaignings — der Frage wie man ein Meme (jetzt gleich!) gezielt auslösen kann — wie die Reinkarnation der One-to-many-Kommunikation vor. Einer gibt das Thema vor und alle sollen mitmachen. Spannend, genial und innovativ fände ich deshalb eher, wenn es gelänge einen Rückkanal einzubauen, der über das bloße Tracking des eigenen Erfolgs via Hashtag und Spendengelder hinausgeht. Spannend, genial und innovativ fände ich, wenn es gelänge aus dem Spaß-Engagement, das ja eigentlich keins ist, weil es ja mit etwas verbunden ist, das auch irgendwie wichtig ist, mehr zu machen.
Was bleibt also von der #IceBucketChallenge? Die Frage, wie man mehr erreicht mit den Methoden, die uns die Avantgard — im Falle der Eis-Kübel-Aktion die Neknominater — liefert. Wie man sie also nicht nur adaptiert sondern weiterentwickelt. Dafür schließlich steht die Metapher des heiligen Grals: Die immerwährende Suche.
tl;dr: Netzwerke in Schwingung zu versetzten ist wichtig, die Resonanz aufzunehmen der nächste Schritt.

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