Heute Morgen bin ich auf ein Filmchen des Freiwilligenzentrums Wabe im unterfränkischen Aschaffenburg gestoßen, dass ich nicht unkommentiert lassen will. Der ca. 15-minütige Film gibt einen recht umfassenden — für den geneigten Youtube-Kurzfilm-Gucker gar erschöpfenden — Einblick in die Arbeit der Freiwilligenagentur Wabe sowie das bürgerschaftliche Engagement und Ehrenamt in Aschaffenburg. Der Film wurde von der Stadt Aschaffenburg in Auftrag gegeben und vom genannten Freiwilligenzentrum produziert. Ob Freiwillige in die Produktion einbezogen wurden, ist mir nicht bekannt, die Credits am Ende legen es zumindest nicht nahe.
Zu meinem Eindruck des Films nur so viel: Es werden so ziemlich alle Klischees bedient, an die sich bei Begriffen wie „bürgerschaftliches Engagement“ und „Ehrenamt“ denken lässt:
- Die Oma, die im Kindergarten Geschichten vorliest und dafür natürlich geschult werden musste (ob sie dafür dankbar ist, ist mir nicht bekannt),
- die junge Frau mit Migrantionshintergrund, die kleinen Migrant!nnen bei den Hausaufgaben hilft und immer ein offenes Ohr hat, auch wenn’s nicht um Hausaufgaben geht,
- der Umweltschützer, der „mindestens eine Stunde seiner Freizeit in der Woche“ mit dem Einsammeln von Kröten zubringt (taucht im Film immer wieder auf),
- der wiederholte Hinweis auf den Dienst und die Hilfe, die bürgerschaftlich Engagierte und Ehrenamtliche leisten und natürlich
- die „mehr als 300 Vereine“, die auf eben diese Dienste angewiesen sind.
Man möge mich bitte nicht falsch verstehen, ich ziehe meinen Hut vor dem Engagement der Aschaffenburgerinnen und Aschaffenburger. Es ist wichtig und gut! Das gilt auch für die Arbeit des Freiwilligenzentrums Wabe, das ja ganz offenbar Erfolge verzeichnen kann. Ich stoße mich aber an der stereotypen Darstellung von Freiwilligenarbeit, die immer und immer wieder nahe legt, dass es so und nicht anders geht. Doch genau das hat die Engagementförderung in Deutschland m.E. aber in die 36%-Sackgasse geführt, in der wir set 2004 stecken. Die Menschen, die sich noch derart traditionell Engagieren können — eine Stunde ihrer Freizeit in der Woche zu opfern bereit sind — gehen den Freiwilligenzentren künfig aus. Vielleicht nicht so bald im gut-bürgerlichen Aschaffenburg, doch mit Sicherheit anderenorts.
Demographie und freiwilliges Engagement in Aschaffenburg
In Aschaffenburg scheint mir die Welt wirklich noch in Ordnung zu sein. Laut Engagementatlas 2009 der AMB-Generali liegt die Engagementquote dort bei über 50%. Bei 68.678 Einwohner!nnen dürften das über den Daumen 35.000 Menschen sein, die sich durchschnittlich zehn Stunden im Monat engagieren. (Das ist wesentlich mehr als eine Stunde in der Woche!) Überdies sind auch noch 36% der Aschaffenburger!nnen bereit ein Engagement aufzunehmen bzw. ihr bestehendes Engagement auszubauen — zählen also zum externen oder internen Engagementportential. Doch woran liegt es, dass das Engagement dort so hoch, anderenorts aber umso niedriger ist?!
Wer nach der Demographie in Aschaffenburg googelt, stößt (früher oder später) auf das Immobilienportal von Scout24 und um es etwas genauer zu sagen, auf die statistischen Daten zu Schweinheim und Aschaffenburg. Und die sind echt beeindruckend:
- Der Bildungsindex mit 93,5% legt ein durchschnittliches Bildungsniveau der Aschaffenburger!nnen nahe
- Die größte Alterskohorte der Einwohner sind zwischen 40 und 64, die zweitgrößte zwischen 25 und 39 Jahren alt. In diesen Altersgruppen finden sich statistisch die meisten Freiwilligen.
- Bei guter bis sehr guter finianzieller Ausstattung leben die Menschen zu 68,6% in kleinen Haushalten (ein bis zwei Personen)
- In 7.435 der 31.802 Haushalte in Aschaffenburg leben Kinder, die meisten sind zwischen sechs und 14 Jahren alt.
Fazit
Freiwilles Engagement ist gut, wichtig und fördernswert. Freiwilligenzentren und -agenturen haben sicherlich auch in Kommunen ihren Platz, wo es schon gut läuft — wie in Aschaffenburg. Doch sollte auch hier nach neuen Wegen des freiwilligen Engagements gesucht werden. Tatsächlich können die Aschaffenburgerinnen und Aschaffenburger von bürgerschaftlichem Engagement und Ehrenamt sprechen. Dies vor allem, weil sie in einer ausgesprochen bürgerlich geprägten Kommune leben. Das muss aber nicht so bleiben. Mit dem demographischen Wandel, der sich auch in den Zahlen von Aschaffenburg bemerkbar macht (s.o.), gerät auch das Engagement der bürgerlichen Mitte verstärlt unter Druck. Immer weniger junge Menschen müssen sich um immer mehr ältere kümmern und der Vorleseoma im Kindergarten droht das Publikum auszugehen.
frisch gebloggt: Der Kommentar am Morgen — "#Aschaffenburg eine bürgerliche #Kommune und ihr freiwilliges #Engagement" http://bit.ly/qI6LiE
[…] entdeckt bei Hannes Jähnert […]