Anerkennung und Wertschätzung: Was ist das und was bringt das?

A

Immer wieder begegnen uns die Schlagworte „Anerkennung“ und „Wertschätzung“; meist sogar im Doppelpack. Doch was Anerkennung und Wertschätzung im freiwilligen Engagement eigentlich meint, scheint niemand genau zu wissen. Es ist also an der Zeit, den Versuch zu unternehmen, die Bedeutung dieser Schlagworte zu klären. Ausgehen will ich dabei von den unterschiedlichen Formen und Praktiken der Anerkennung, denen ich bislang im freiwilligen Engagement begegnete. Als Praktiken der Anerkennung will ich dabei die konkret beobachtbaren Verhaltensweisen, mit denen anerkannt und wertgeschätzt werden soll, bezeichnen. Mit Formen der Anerkennung meine ich dagegen übergeordnete Vorstellungen von Anerkennung und Wertschätzung.

All diese Formen und Praktiken der Anerkennung und Wertschätzung – so meine Grundannahme – folgen bestimmten Intentionen und haben ganz verschieden Auswirkungen. Nun kann das Ziel meiner Überlegungen aber nicht sein, Kriterien ‚echter‘ Anerkennung zu entwickeln und alles andere zu ‚Murks‘ zu erklären. Viel eher will ich hier ein Vorschlag für die Analyse der unterschiedlichen Praktiken umreißen, mit deren Hilfe man untersuchen kann, ob die tägliche Praxis der Anerkennung zum gewünschten Ziel (was das auch immer sein mag) führt oder nicht. Die Frage also, was Anerkennung und Wertschätzung ist, bildet für mich hier nur die Oberfläche. Im Kern geht es mir um die Frage, wie Anerkennung und Wertschätzung wirkt bzw. was damit intendiert ist.

Formen und Praktiken der Anerkennung und Wertschätzung

Zu Anerkennung und Wertschätzung werden ganz unterschiedliche Praktiken und Formen gezählt. Die Praktiken der Anerkennung lassen sich in vier Clustern grob ordnen:

  • Immateriellen Praktiken der Anerkennung sind z.B. Auszeichnungen, Erwähnungen in der öffentlichen Berichterstattung sowie Dienstränge.
  • Geldwerte Praktiken der Anerkennung sind z.B. Ehrenamtskarten, mit denen die Freiwilligen bestimmte Vergünstigungen bekommen, kostenlose Überlassung von Räumlichkeiten oder Fahrzeugen sowie Aus-, Fort- und Weiterbildungen.
  • Monetäre Praktiken der Anerkennung sind z.B. Taschengelder, Steuerbefreiungen und Zuzahlungen zu privaten Versicherungen (i.d.R. private Haftpflichtversicherungen).
  • Organisationale Praktiken der Anerkennung sind z.B. Einbindung des Ehrenamts in die Organisations- und Personalentwicklung, Schaffung von (Mit-)Gestaltungsmöglichkeiten und Maßnahmen zur gleichberechtigten Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt („Zusammenarbeit auf Augenhöhe“)

Diese Praktiken der Anerkennung und Wertschätzung lassen sich wie gesagt im Verhalten der Zuständigen in den Freiwilligenorganisationen (z.B. beim Freiwilligenmanagement) beobachten. Doch je nach dem, welchem Verständnis von Anerkennung und Wertschätzung diese folgen, welche Form Anerkennung und Wertschätzung für diese Personen also hat, werden die Schwerpunkte gelegt:

  • Anerkennung „als Lohn für das freiwillige Engagement meint in der Praxis vieler Nonprofits eine Art Tauschgeschäft: Arbeit gegen Bonbons. Hier liegt der Schwerpunkt vor allem auf immateriellen und geldwerten Praktiken der Anerkennung.
  • Anerkennung mit der Formel „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ meint eine Art politische Überzeugungsstrategie zum freiwilligen Engagement auf der Grundlage vermeintlich harter Kennzahlen: Ehrenamt mit Mehrwert. Auch hier sind es die immateriellen Praktiken der Anerkennung, insbesondere aber wertschätzende die Öffentlichkeitsarbeit.
  • Anerkennung als immanenter Teil der Organisationskultur scheint dort, wo sie als „Anerkennungskultur“ propagiert wird, vor allem eine Art Willkommenskultur zu meinen: willkommene Helfer. Diese Form der Anerkennung und Wertschätzung ist breit angelegt. Sie reicht von immateriellen über geldwerten bis zu monetären, nicht aber darüber hinaus bis zu organisationalen Praktiken der Anerkennung.
  • Anerkennung mit Karmapunkten, Krönchen und Sternchen scheint vor allem eine Art Gamifizierung des (Online-) Engagements zu meinen: Spiel des Lebens. Hier liegt der Schwerpunkt wieder auf den immateriellen Praktiken der Anerkennung und insbesondere auf Diensträngen.
  • Anerkennung und Wertschätzung kritischer Einwände und Kommentare meint tatsächlich viel zu oft nur Kenntnisnahme und Geringschätzung: Was willst du den? Hier liegt der Schwerpunkt eigentlich auf den organisationalen Praktiken der Anerkennung, was durch die Geringschätzung in der Praxis allerdings unterminiert wird.

Vor dem Hintergrund dieser Praktiken und Formen lässt sich nun fragen, was mit Anerkennung und Wertschätzung denn im Allgemeinen gemeint ist. Wie gesagt, mein Ziel ist es nicht, die ‚echte‘ Anerkennung zu definieren und allem Anderen den Wert abzusprechen. Es geht mir darum, das Gemeinsame dieser Formen zu finden und die meist noch synonym verwendeten Begrifflichkeit voneinander zu trennen.

Die umfassende Anerkennung und die spezielle Wertschätzung

Brigitte Reiser veröffentlichte kürzlich einen lesenswerten Beitrag zur „Kultur der Mitgestaltung“ in den Blättern der Wohlfahrtspflege (hier kurz umrissen). Den zentralen Gedanken des Co-Design sozialer Dienstleistungen halte ich für bemerkenswert, weil freiwillig Engagierte hier nicht nur als Leistungserbringer sondern auch als Wissens- und Netzwerkressourcen anerkannt werden und ihnen auch (Mit-)Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Liegt hierin vielleicht schon die Antwort? Geht die Anerkennung der Arbeit freiwillig Engagierter nur einfach nicht weit genug? Muss sich Anerkennung und Wertschätzung auch auf andere Inputs der Freiwilligen beziehen? Das muss sie bestimmt, doch reicht das allein nicht aus. Mit der Anerkennung des Inputs Freiwilliger hätten wir lediglich eine Ausdifferenzierung dessen, was ohnehin schon geschieht (s.o). Man kann diese Inputs entlohnen, ihren Wert schätzen, sie als Hilfe willkommen heißen, mit Sternchen und Krönchen versehen oder eben auch einfach geringschätzen. Zudem könnte mit dieser breiter angelegten Vorstellung von Input auch nicht geklärt werden, was denn eigentlich der Unterschied zwischen Anerkennung und Wertschätzung ist bzw. ob es überhaupt einen gibt.

Nichtsdestotrotz bleibt der Gedanke des Co-Design sozialer Dienstleistungen interessant, weil er eben für den Versuch steht, Freiwillige als mehr denn Arbeitskräfte zu begreifen. Und genau hier beginnt für mich ein möglicher Weg zur Klärung dessen, was die Anerkennung freiwillig Engagierter eigentlich ist: die umfassende Anerkennung von Freiwilligen mit normativen Ansprüchen wie z.B. auf Mitgestaltung.

Die Begriffe der Anerkennung und Wertschätzung

Mit Theo Wehner hatte ich mich Ende letzten Jahres in Krems an der Donau über den Begriff der Anerkennung unterhalten. Ausgangspunkt waren einige recht überraschende Forschungsergebnisse zur Wirkung der Anerkennung und Wertschätzung von Stefan Güntert. Dieser hatte in seiner Dissertation u.a. die Motivationen freiwillig Engagierter in der Altenhilfe untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anerkennung und Wertschätzung seitens der Organisation von den Freiwilligen eher als „belastendes Gefühl der Verpflichtung“ denn als Antrieb in ihrem Engagement empfunden wurde (ebd. 2007: 114). Damit stand für uns die Frage im Raum, was denn da falsch läuft bzw. wie Anerkennung so praktiziert werden kann, dass sie nicht zur Belastung der Freiwilligen wird.

Nun – das sei hier eingeschoben – ist ein gewisses Maß an verpflichtender Belastung im freiwilligen Engagement nicht gänzlich verkehrt. Wie die Zufriedenheit mit der Tätigkeit und den Rahmenbedingungen – das gute Gefühl des ‚giving back‘ – bindet das Gefühl der Verpflichtung gegenüber einer Organisation an das Engagement und fördert damit dessen Verstetigung. Eine Notwendigkeit, die man besonders im sozialen Engagementbereich kaum leugnen kann. Allerdings können Bonbon-Veranstaltungen für Freiwillige, ihrer Wirkung und oft auch ihrer Intention nach, eigentlich nicht als „Anerkennung“ oder „Wertschätzung“ bezeichnet werden. Mit ihnen wird weder anerkannt, dass den Freiwilligen ihre Tätigkeit wichtiger ist als der Träger, noch wird vorrangig die bereits erbrachte Leistung wertgeschätzt, viel wichtiger ist ja die Leistung, die da noch kommen soll.

Um die Frage zu klären, was denn nun eigentlich mit Anerkennung gemeint sein könnte, machte Wehner den Vorschlag, den Begriff der Anerkennung in seine Bestandteile zu zerlegen (An | er | kenn | ung) und zu fragen, was aus psychologischer Sicht denn dahinter steckt. Folgen wir dem:

  • Zweifelsohne steckt im Begriff der Anerkennung das Wort „kennen“. Wer also freiwillig Engagierte anerkennen will, muss sie zu allererst als Personen kennen lernen.
  • Weiterhin steckt im Begriff der Anerkennung das Wort „erkennen“. Erkennen geht dem Kennen Lernen nicht voraus sondern folgt ihm. Erst wenn ich nämlich jemanden kennen gelernt habe, kann ich erkennen, welchen Ansprüchen ich genügen sollte.
  • Selbstverständlich hat auch das Wörtchen „an“ in Anerkennung seine Bedeutung. Es könnte wie das an in annehmen verstanden werden, nämlich als sich etwas zu eigen machen – in Falle der Anerkennung allerdings nicht die ganze Person sondern die (Er)Kenntnis über sie.

Und noch mehr steckt in dem Begriff „Anerkennung“. Geht es nämlich darum, jemanden kennen zu lernen, die Ansprüche, denen man genügen sollte, zu erkennen und sich diese Erkenntnisse dann auch anzunehmen, kann das nicht einseitig geschehen. Ich kann niemanden kennen lernen, ohne dass er oder sie mitmacht; mit Max Raabe: „Küssen kann man nicht allein“. Anerkennung ist also ein zweiseitiger Prozess, der beiden Seiten einige Bemühungen abverlangt.

Ähnlich lässt sich nun auch der Begriff der Wertschätzung untersuchen (Wert | schätz | ung), wobei sich zeigt, dass Wertschätzung tatsächlich etwas anderes ist als Anerkennung:

  • Im Begriff der Wertschätzung steckt zunächst der Wert von etwas. Prinzipiell kann dieser Wert zwischen null und unendlich schwanken, was freilich die Frage aufwirft, woran dieser Wert gemessen wird. Zwei Möglichkeiten:
  1. Ein gängiges Mittel der Wertmessung ist die Preisbildung, wobei Preise durch die Analyse von Nachfrage und Angebot ermittelt werden.
  2. Eine zweite Möglichkeit, die über die Preisbildung hinaus geht, ist der Mehrwert, der – marxistisch gesprochen – durch die Ausbeutung der Arbeiter oder – etwas neutraler forumuliert – durch die Organisation zielgerichteten Tuns entsteht.
  • Der zweite Teil im Begriff der Wertschätzung ist der der „Schätzung“ oder des „Schätzens“, der hier nicht leichtfertig übergangen werden darf. Einerseits zeigt er an, dass ein Wert niemals genau gemessen, sondern nur geschätzt werden kann, andererseits bezeichnet Schätzung auch etwas anderes als aushandeln, ermitteln oder berechnen. Schätzen ist kein zweiseitiger Vorgang. Ich kann durch aus jemanden (wert)schätzen, ohne dass er oder sie mich jemals zur Kenntnis nimmt.

Und auch im Begriff der Wertschätzung steckt noch mehr: Denn den Wert von etwas kann man nur im Besonderen, nicht im Allgemeinen schätzen. Den Wert einer ganzen Person kann man nicht einschätzen, wohl aber einzelne Eigenschaften – z.B. die Arbeitskraft, das Know How oder die persönlichen Netzwerke. Dementsprechend bezeichnet Wertschätzung die Einschätzung des Wertes einer oder mehrerer Eigenschaften. Damit unterscheidet sich der Begriff der Wertschätzung grundlegend von dem der Anerkennung. Zumindest der Semantik nach meint Anerkennung einen umfassenden, mindestens zweiseitigen Prozess, Wertschätzung einen spezifischen, einseitigen Vorgang.

Die Philosophie von Anerkennung und Wertschätzung

Von dieser Semantik könnte auch Axel Honneth bei seinen Überlegungen zum „Kampf um Anerkennung“ und der „moralischen Grammatik sozialer Konflikte“ ausgegangen sein (Honneth 1994). Honneth zu folge ist die menschliche Lebensform im Ganzen „durch die Tatsache geprägt, dass Individuen nur durch wechselseitige Anerkennung zu sozialer Mitgliedschaft und damit zu einer positiven Selbstbeziehung gelangen“ (ebd.). Es ist noch nicht einmal nötig, das Buch aufzuschlagen, um zu sehen, dass darin einiger Sprengstoff für die gängigen Praktiken und Formen der Anerkennung und Wertschätzung freiwilligen Engagements zu finden ist. Wenn nämlich nur wechselseitige Anerkennung zu sozialer Mitgliedschaft führt, stellt sich die Frage, was jene Mitgliedschaften eigentlich darstellen, bei denen Autoritäten und Hierarchien fraglos hingenommen – nur einseitig anerkannt – werden sollen. Kann es solche ‚asozialen‘ Mitgliedschaften eigentlich geben? Wie halten diese sozialen Entitäten zusammen? Und spiegeln sich in diesen tatsächlich auch die jeweiligen Vorstellungen (Formen) von Anerkennung? Ich glaube schon.

  • Wenn Anerkennung als Tauschgeschäft praktiziert wird, kann es nicht überraschen, wenn Mitglieder wie freiwillig Engagierte ihren Lohn, entsprechende Lohnfortzahlungen und -steigerungen erwarten.
  • Gilt die Formel „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ kann es nicht überraschen, wenn Mitglieder wie freiwillig Engagierte die Wertschöpfung anhand harter Fakten belegt sehen wollen.
  • Wird die Willkommenskultur für Helfer hochgehalten, kann es nicht überraschen wenn sich niemand für die Gremienarbeit findet.
  • Weil die Gamification nicht zu sozialer Mitgliedschaft in einer Freiwilligenorganisation, sondern nur zu einer in einer nicht näher definierten Crowd, führt kann es nicht überraschen, dass den Spielenden völlig ist egal für was sie Karmapunkte, Krönchen oder Sternchen bekommen.
  • Und auch die Geringschätzung spiegelt sich in der sozialen Mitgliedschaft: Der Ton wird rauer, die Vertretung persönlicher Interessen verbissener und die Mitgliedschaft labiler. Wer seine Interessen nicht durchsetzen kann, geht.

Es wird an dieser Stelle also deutlich, dass es nicht die richtige oder falsche Form der Anerkennung gibt. Es gibt mehrere ‚Wahrheiten‘, die unterschiedliche Realitäten hervorbringen. Die Realität in Nonprofits mit „Willkommenskultur“ und „Tauschgeschäft“ z.B. sieht so aus, dass sich ehrenamtliche Vorstandsämter immer schlechter besetzen lassen, weil die Freiwilligen – wenn sie nicht ohnehin schon eher die Helfertypen sind – überhaupt nicht an die Gestaltungsaufgaben herangeführt werden. Freiwillige sind die Helferinnen und Helfer, die selten mit den (ehrenamtlichen) Entscheidungsebene in Verbindung gebracht werden. Im Ergebnis beobachten wir einen Legitimationsverlust von Großorganisationen wie auch lokaler Träger des freiwilligen Engagements, der zuweilen etwas vorschnell auf den „Wandel des Ehrenamts“ geschoben wird, um zu vertuschen, dass es kein funktionierendes Freiwilligenmanagement gibt, das sich um den Prozess des freiwilligen Engagements kümmert.

Nun mag die Kritik am Freiwilligenmanagement, die z.B. Brigitte Reiser in ihrem Beitrag (s.o) formuliert, nicht ganz unberechtigt sein. Das Freiwilligenmanagement als „die Planung, Organisation, Koordination und Aus- und Bewertung von freiwilligem Engagement bzw. Freiwilligenarbeit in einer Organisation“ (Reifenhäuser/Hoffmann/Kegel 2009: 59), wird ja in der Tat als ein Prozessmanagement verstanden, das vor allem darauf angelegt ist, die richtigen Freiwilligen für die beschriebene Arbeit anzuwerben, einzuarbeiten, zu begleiten und schließlich auch wieder zu verabschieden. Als Prozessmanagement ist es aber eben auch darauf angelegt, systematisch Karrieren im freiwilligen Engagement möglich zu machen. Dass diese Chance in der täglichen Praxis oft vergeben wird, mag einerseits an der dramatischen Unterfinanzierung der allermeisten Freiwilligenmanagerinnen und -manager liegen, die schlicht keine Zeit für das persönliche Kennen Lernen der Freiwilligen – die Voraussetzung für Anerkennung – lässt. Andererseits ist das Freiwilligenmanagement (bestenfalls) auf der mittleren Managementebene angesiedelt und damit der haupt- und ehrenamtlichen Leitung unterstellt, die selten auf die Idee kommt, am eigenen Stuhlbein sägen zu lassen.

Nichtsdestotrotz ist das Freiwilligenmanagement m.E. der Schlüssel zur Beseitigung des Legitimationsdefizits von Organisationen, mit dem sich auch Brigitte Reiser befasst. Nur darf es eben nicht als Ressourcendurchlaufmanagement für Arbeit, die gemacht werden soll, missverstanden werden. Vielmehr muss Freiwilligenmanagement als Coaching für Freiwillige verstanden werden, das diese dazu befähigt, in ihrer Freiwilligenorganisation gestaltend wirksam zu werden. Dazu ist einerseits Anerkennung der Freiwilligen als Personen mit normativen Ansprüchen und andererseits die Wertschätzung ihrer besonderer Eigenschaften notwendig. Es ist utopisch anzunehmen, dass alle Mitarbeitenden in einer Organisation diese Anerkennung und Wertschätzung leisten können. Und eben deshalb spricht Axel Honneth auch von einem fortwährenden „Kampf um Anerkennung“.

Wenn mit der gegenseitigen Anerkennung soziale Mitgliedschaften begründet werden, die auch zu einer positiven Selbstbeziehung führen, kann die Beziehung zwischen Freiwilligenmanagement und den Freiwilligen als Keimzelle für eine gelingende Integration der Freiwilligen in die Organisation sein. In dieser Beziehung werden nicht nur die normativen Ansprüche der Freiwilligen – Lohn, Wertschöpfung, das Gefühl gebraucht zu werden, Spaß und Mitgestaltung -, sondern auch das Rüstzeug zu deren Inanspruchnahme identifiziert. Eben hierfür ist die Wertschätzung – die Einschätzung einer oder mehrerer Eigenschaften, die eine Person besonders machen – notwendig. Mit der positiven Selbstbeziehung, die durch diese Anerkennung und Wertschätzung (weiter)entwickelt wird, kann dann der Kampf um Anerkennung aufgenommen werden.

Zusammenfassung und Fazit

Auf der Suche nach ihrer Intention und Wirkung bin ich von den Praktiken und Formen der Anerkennung und Wertschätzung im freiwilligen Engagement ausgegangen, die mir bislang begegnet sind. Die Stichworte lauteten hier: Arbeit gegen Bonbons, Ehrenamt mit Mehrwert, willkommene Helfer, Spiel des Lebens und Was willst du den? Die konkreten Praktiken der Anerkennung, so die Feststellung im Weiteren, variieren je nach Form oder Vorstellung von der ‚richtigen‘ Anerkennung, was mich nach der Klammer, dem Gemeinsamen der Anerkennung und Wertschätzung, fragen ließ.

Für diese Überlegungen bildete die Idee des Co-Design den Ausgangspunkt, von dem aus ich Anerkennung als einen umfassenden Prozess zwischen Menschen mit normativen Ansprüchen beschrieb. Der Semantik nach, handelt es sich bei der Anerkennung vor allem um einen Prozess des gegenseitigen Kennenlernens, währenddessen Wertschätzung einen auf Spezifisches gerichteten einseitigen Vorgang meint. Damit waren die Begriffe zunächst unterschieden, ihre Bedeutung im freiwilligen Engagement allerdings noch nicht geklärt.

Diese Klärung versuchte ich auf Grundlage der These Axel Honneths, nur gegenseitige Anerkennung könne zu sozialer Mitgliedschaft führen, bzw. ihrer Erweiterung, die Formen der Anerkennung würden sich im sozialen Miteinander spiegeln. Zumindest bei den von mir beobachteten Formen der Anerkennung (s.o) ließ sich diese These bestätigen und z.B. auch anhand des Legitimationsverlustes von (Groß)Organisationen belegen.

Um diesem Legitimationsverlust entgegen zu wirken, ist das Freiwilligenmanagement als Engagierten-Coaching m.E. gut geeignet. Wenngleich man von allen Mitarbeitenden in einer Freiwilligenorganisation Respekt füreinander verlangen kann, ist es doch utopisch anzunehmen, dass alle Mitarbeitenden in einer Organisation dazu bereit und fähig wären, alle Freiwilligen mit ihren jeweiligen Ansprüchen und besonderen Eigenschaften anzuerkennen und wert zu schätzen. Deshalb ist Anerkennung und Wertschätzung zu allererst eine Aufgabe des Freiwilligenmanagement, und zwar mit dem Ziel, Freiwilligen die positive Selbstbeziehung und das Rüstzeug für den Kampf um die Anerkennung an die Hand zu geben.

Nun ist das Freiwilligenmanagement aber nur in den wenigsten Nonprofits so gut ausgestattet, dass es als Engagierten-Coaching funktionieren könnte, womit die Praktiken der Anerkennung und Wertschätzung freiwilligen Engagements seitens der Organisationen – Bonbon-Veranstaltungen, die freiwilliges Engagement im Grunde weder anerkennen noch wertschätzen – an Bedeutung nicht zu unterschätzen sind. Sie bilden für Freiwillige die konkreten Ausformungen ihrer Anerkennung und Wertschätzung, was dann auch zu Spiegelungen im sozialen Miteinander führt. Wer also von „Anerkennungskultur“ spricht, meint immer einen Prozess der zwar auf der Meta-Ebene abläuft sich aber sehr konkret auf die Meso-Ebene auswirkt. Auch ohne ein Engagierten-Coaching sind Anerkennung und Wertschätzung also keine hohlen Phrasen, sondern zentrale Elemente im freiwilligen Engagement.

… und weil mit Jona drum gebeten hat hier noch ein tl;dr in 140 Zeichen:
Persönliche Anerkennung und Wertschätzung sind zentrale Bestandteile der Arbeit mit Freiwilligen. Sie bedürfen der Umsicht und Investition.

Kommentare

  • Hallo Hannes,
    du schreibst viele interessante Gedanken, über die ich gerne diskutieren würde. Aber ich will auch deine Kommentarleiste nicht sprengen 😉 Deshalb nur ein paar der Gedanken, die mir beim Lesen in den Sinn kamen:
    Deine Beobachtung bezüglich der Anerkennung der Ehrenamtlichen klingt in meinen Ohren ziemlich pessimistisch. Das macht mich nachdenklich und ich frage mich, ob deine Einschätzung verallgemeinerbar ist. Deshalb frage ich einfach mal des Verständnisses halber so nach: Ist dein Eindruck wirklich der, das Ehrenamtlichkeit von den Organisationen oft nur als z.B. Tauschhandel angesehen wird? Sind FreiwilligenmanagerInnen tatsächlich so schlecht gestellt? Woran machst du das fest? Vielleicht kennst du ja Beispiele.
    Die Rolle des Freiwilligenmanagements zu diskutieren und ihre „Position“ innerhalb der Organisationen, finde ich einen guten Ansatzpunkt. Ich sehe die FreiwilligenmanagerInnen hier allerdings weniger als „Coaches“/„Trainer“, sondern mehr als „Mittler“, „Diplomaten“. Also als Bindeglied zwischen Ehrenamt und Hauptamt mit interaktiver Funktion. Wenn das Ziel ist, Gemeinschaft herzustellen (oder Co-Design), braucht es eine Instanz, die zwischen den verschiedenen Parteien vermittelt. Die FreiwilligenmanagerInnen erscheinen mir dafür geeignet, da sie mit vielen Bereichen einer Organisation verknüpft sind.
    Wo Ehrenamtliche Anerkennung verlangen, ist auch jemand (die Organisation, die Hauptamtlichen etc.), der diese Anerkennung verwährt. Hier frage ich mich natürlich: Warum wird Anerkennung verwährt? Mit welchem Ziel? Was soll verhindert werden? Über die Beweggründe der entsprechenden Organisationen weiß man viel zu wenig (können sie letztlich nur selber wissen). Es ist also schwer, finde ich, hierzu eine Aussage oder gar Bewertung zu treffen.
    Da sich trotzdem viele Menschen engagieren: Vielleicht sind Bonbons für viele Engagierte ja ausreichend? Vielleicht wollen sie gar nicht mehr (mitbestimmen etc.)?
    Zu guter Letzt: Kennst du Studien/Unmfragen o. ä., in denen untersucht wird, auf welche Weise Organisationen ihren Ehrenamtlichen Anerkennung geben? Also: Welche der von dir genannten Anerkennungsformen bevorzugt werden usw.?
    Gruß, Julia

  • Hallo Julia, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich hatte gehofft, dass du dich dazu äußerst. Ist ja auch dein Spezialgebiet 🙂
    Ich glaube nicht, dass das pessimisitische Bild, das ich hier im Blog zuweilen zeichne, verallgemeinerbar ist. Viele Freiwilligenmanager!nnen können hervorragende Arbeit leisten, weil sie auch mit Handlungs- und Wirkungsmöglichkeiten ausgestattet sind. Ich durfte bislang aber nur wenige davon persönlich kennen lernen. Die meisten Freiwilligenmanager!nnen, die ich in den letzten Jahren kennen gelernt habe, sind mit höchstens einer halben Stelle dabei und ‚betreuen‘ zig Freiwillige. Da fragt man sich, wie die eigentlich gute Rahmenbedingungen schaffen (sollen).
    Auch die Liste mit den Formen der Anerkennung ist nicht abschließend. Allerdings ist mir in der Vergangenheit nichts anderes begegnet. Zudem — und da kann ich auch meiner subjektiven Selbstbestätigung aufsitzen — sieht man die jeweiligen Folgen der Anerkennung ja bestätigt; im Falle des Tauschgeschäfts — der wohl am weitesten verbreiten Form — z.B. in der zunehmenden Monetarisierung freiwilligen Engagements.
    Sicherlich sollen Freiwilligenmanager!nnen die Scharnierfunktion zwischen Haupt- und Ehrenamt, zwischen den Engagierten und der Organisation bilden. Doch das hat das erst einmal was mit Vermittlung — der „Vereins-Diplomatie“ — zu tun, die der Anerkennung eigentlich nur folgen kann. Deshalb habe ich geschrieben, dass Freiwilligenmanager!nnen ihre Freiwilligen kennen müssen und ihre (normativen) Ansprüche (z.B. auf Mitgestaltung, Spaß, Gemeinschaft usw.) respektieren sollten. Meine Idee der Engagement-Coaches ging einfach noch ein bisschen weiter. In der praktischen Arbeit von Engagierten kann nicht der Freiwilligenmanager oder die -managerin vermitteln, dort sind die Freiwilligen eher auf sich allein gestellt. Und genau deshalb brauchen sie auch das Rüstzeug für einen Kampf um Anerkennung. Einen Kampf um die Anerkennung ihrer normativen Ansprüche.
    Warum funktioniert es trotzdem? Warum haben wir so viele Menschen, die sich für Bonbons engagieren? Gute Frage! Keine leichte Antwort:
    (1) Besteht ja immer noch Luft nach oben. Wir sollten also auch fragen, warum sich die restlichen 64% der Bevölkerung nicht engagieren. Die fehlende Anerkennung, bzw. das Nicht-zusammen-passen von Anerkennungform und normativen Ansprüchen, könnte da eine Erklärung sein.
    (2) Anerkennung ist ein mid. zweiseitiger und damit auch dialektischer Prozess. In der Entwicklung freiwilligen Engagements, in der Monetarisierung, der Entkoppelung von Engagierten und Organisation usw., sehen wir ’nur‘ die Folgen der gelebten Formen von Anerkennung. Dementsprechend ist die Frage, was Anerkennung eigentlich ist eine politische. Eine Frage nämlich, wie wir und das freiwillige Engagement von Morgen vorstellen. Mitgestaltend? Aushelfend? Entkoppelt? Ich bin für ersteres!
    Und zu guter Letzt: Nein, studien zu Formen der Anerkennung sind mir nicht bekannt. Mir ist noch nicht einmal eine Studie bekannt, in der Anerkennung im freiwilligen Engagement näher definiert wird. Das hällt natürlich niemanden davon ab im Freiwilligensurvey danach zu fragen …

  • Ich stelle mir gerade vor, wie so eine Art „Coaching“ praktisch aussehen könnte bzw. welches Rüstzeug Freiwillige bräuchten, um sich stärker für die Anerkennung ihrer Ansprüche einzusetzen.
    Ich denke, dieses Sich-Einsetzen gelingt Freiwilligen gerade dort am besten, wo sie
    a) sich als Teil einer (großen) Freiwilligen-Gruppe begreifen (z.B. weil sie in der Organisation zahlenmäßig stark vertreten sind),
    b) wo gesetzlich verankerte Normen oder eindeutige organisationsinterne Richtlinien gelten und
    c) wo die Freiwilligen relativ homogene Ansprüche haben.
    Dort, wo Freiwillige sich weniger als Teil einer beständigen Freiwilligen-Gemeinschaft sehen (z.B. weil „nur“ Kurzzeit-Engagement), wo sie zu heterogene Bedürfnisse haben (z.B. weil zu differenzierte Engagement-Motivationen) oder wo sie keine (oder nur eine schwammige) rechtliche Grundlage im Rücken haben, wird es ihnen dagegen schwieriger fallen, eigene Ansprüche geltend zu machen.
    Bei Merkmal a (Gruppengefühl) könnten die FreiwilligenmanagerInnen sich natürlich gut einbringen: sie könnten Freiwillige stärker vernetzen, Kontakte herstellen, Gruppenaktivitäten und Austausch fördern.
    Bei Merkmal b (rechtliche Grundlage) sehe ich auch einen gewissen Handlungsbereich, z.B. beim Anstoß von Initiativen, politischer Mitbestimmung oder Entwurf organisationsinterner Richtlinien.
    Bei Merkmal c (heterogene Bedürfnisse) sieht es für die Handlungsfähigkeit von FreiwilligenmanagerInnen aber schon schwieriger aus. Wie kann der Einzelne gestärkt werden, (notfalls auch alleine) für seine ganz spezifischen Bedürfnisse einzustehen?
    Dort, wo sich Bedarfe und Motivationen immer weiter individualisieren, werden m. M. nach gerade die rechtlichen Grundlagen immer wichtiger. Also ein Grundgerüst, auf das man sich (auch als einzelner) Freiwilliger stützen kann, sobald man Bedarf hat. (Das passt auch gut zu Honneths Dreischritt von Liebe, Recht und Solidarität).
    Ich weiß nicht, ob Organisationen überhaupt interne (gesetzesähnliche) Richtlinien haben, auf die sich die Freiwilligen berufen können (abgesehen von steuerlichen oder versicherungstechnischen Fragen)? Oder welche Rechte Freiwilligen generell vom Gesetzgeber her zugestanden werden?!
    Grundsätzlich aber sehe ich es auch so: Da Anerkennung auf Interaktion basiert, ist sie eine wechselseitige Angelegenheit. Das heißt, man sollte die verschiedenen Anspruchsgruppen nicht nur separat oder entkoppelt betrachten, sondern als eine Einheit mitsamt ihrer Wechselwirkung. Ohne die andere Seite, also die Organisationen, die Hauptamtlichen, die Politik usw. und den Austausch mit diesen geht es also nicht. Entsprechend kann ich dein Plädoyer für „mitgestaltend“ nur unterstützen 🙂

    • … gute Hinweise Julia!
      Anerkennung — auch Anerkennung über Mitgestaltung und Beteiligung — gelingt dort, wo es gute Rahmenbedingungen dafür gibt. Viele Freiwilligenorganisationen haben Leitlinien und -sätze für ihre Freiwilligenarbeit, auf die sich die Engagierten auch berufen können sollten. Das die Leitlinien aber nicht immer bekannt sind (nicht unter den Freiwilligen und manchmal auch nicht unter den Hauptamtlichen) macht die Sache aber etwas schwierig. Dem entgegen zu wirken wäre ein Teil des Rüstzeuges, mit dem das Freiwilligenmanagement die Engagierten ausstatten kann. Ein weiteres sind die Vernetzungstreffen, die du nennst. Aus diesen kann / sollte der Wunsch erwachsen, die Interessen der Freiwilligen gegenüber der Organisationsleitung zu vertreten (ehrenamtlicher Vorstand / Beisitz / Beaufragter).
      Was das Ehrenamt im Gesetz anbelangt muss ich dich leider entäuschen. Hier wird das freiwillige Engagement ganz besonders als Tauschgeschäft angelegt; z.B. über Steuerfreibeträge, die zu stärkerer Monetarisierung im freiwilligen Engagement beitragen. Ansonsten basiert das freiwillige Engagement auf den §§ 662 ff. BGB. Ehrenamt ist ein unentgeltliches Auftragsverhältnis, ein einseitiges Rechtsgeschäft. Besteht kein Vertrag — wie z.B. im Freiwilligendienst — haben Freiwillige haben eigentlich keine Ansprüche gegen die Organisation.

      • Na, enttäuscht bin ich nicht. Nur in meiner Annahme bestätigt 😉
        Wenn Freiwilligkeit noch nicht mal die Anerkennung in Form von „Recht“ errungen hat , dann ist es ja eigentlich auch kein Wunder, dass „Solidarität“ noch meilenweit entfernt ist (um mal wieder Honneths These von Liebe-Recht-Solidarität zu bedienen)…

        • Na ja, die Frage ist ja als was das Ehrenamt ‚geliebt‘ wird, denn nur das was geliebt wird, kann sich auch im Recht niederschlagen. Weil freiwilliges Engagement als Hilfe geliebt wird, werden entsprechende Gesetze geschaffen: z.B. Entbürokratiserung durch steuerfreie Aufwandsentschädigung („Ehrenamtpauschale“ – Gesetz zur weiteren Stärkung des Ehrenamts von 2007) oder Verstetigung durch Vertrag (BFD und andere Freiwilligendienste).
          Und was die Solidarität anbelangt, kenen wir ja die öffnentliche Unfallversicherung von Ehrenamtlichen (ist länderspezifisch). Die wird aber nicht jedem Engagierten, sondern (häufig) nur den Helferinnen und Helfern gewährt — ziviler Ungehorsam z.B. bleibt ausgeklammert.

  • Hallo Hannes, danke für die Erwähnung meines Aufsatzes und das Aufgreifen der Idee des Co-Designs. Ich denke, die Sache mit der Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement ist gar nicht so schwierig. Anerkennung über Beteiligung scheint mir der beste Weg zu sein. Vor einem Jahr habe ich darüber schon mal gebloggt – und die Grenzen des herkömmlichen Freiwilligenmanagements aufgezeigt http://blog.nonprofits-vernetzt.de/index.php/freiwilligenmanagement-in-nonprofits-ein-beitrag-zur-burgerschaftlichkeit-des-dritten-sektors/

    • Hallo Brigitte,
      vielen Dank für den Hinweis auf deine Kritik am Freiwilligen-Management-Modell der AfED. Zumindest bezüglich des Einsatzes von Social Media sowie dem Online-Volunteering (Micro-Volunteering war damals noch nicht), habe ich das Buch, auf das du dich beziehst, auf ähnliche Art kritisiert wie du. (https://hannes-jaehnert.de/wordpress/2009/09/16/freiwilligenmanagement-im-sozialwirtschaft-diskurs/)
      Und auch was die Beteiligung anbelangt, stimme ich dir zu. Das ist eine Form der Anerkennung, die ich persönlich für wünschenswert und zielführend halte. Du schreibst in deinem Aufsatz in den Blättern der Wohlfahrtspflege ganz richtig, dass die Verantwortungsübernahme in Form eines freiwilligen Engagements immer mit Mitsprache- und Gestaltungsspielraum einher gehen muss. Genau so funktioniert auch die Engagementkarriere, die in den Publikationen der AfED zwar immer mal wieder vorkommt, m.E. aber viel zu wenig hervorgehoben wird.
      Das Modell des Freiwilligenmanagements (nicht nur das der AfED) ist ziemlich flach — gewinnen, einarbeiten, begleiten, verabschieden und dann wieder von vorn. Leider fehlt den meisten die Phantasie dazu, diesen Zyklus — sozusagen in der Seitenansicht — als Spirale zu verstehen, wobei ein Mehr an Verantwortung immer auch mit einem Mehr an Gestaltungsspielraum einher geht.
      Dennoch sei der Hinweis gestattet, das es einfach auch Menschen gibt, die gar nicht gestalten wollen. Menschen die Verantwortung scheuen und lieber Dienste leisten. Das ist wahrscheinlich nicht der größte Teil der Engagierten, nichtsdestotrotz würden sie mit Anerkennung durch Beteiligung (sprich Verantwortungsübernahme) nicht wirklich etwas anfangen können.

    • Hallo Brigitte,
      ich werfe mal so in die Runde, dass m. M. nach Beteiligung (oder Mitbestimmung) einer der schwierigsten Prozesse überhaupt ist. Nicht nur, dass es schwer ist, überhaupt beteiligt zu werden. Genauso schwer (oder noch schwerer) ist es, den Prozess der Beteiligung fortzuführen und die eigene Position bzw. die Anerkennung fortwährend auszuhandeln (deshalb ja auch Honneths These vom „Kampf um Anerkennung“).

  • @Julia Russau, Beteiligung umzusetzen ist sehr schwierig, das sehe ich auch so. Aber man müsste im Freiwilligenmanagement oder in den Einrichtungen selbst das Thema überhaupt mal auf der Agenda haben und die Anerkennungsoptionen (bisher „Taschengeld, Vergünstigungen, Lob und gesellschaftliche Anerkennung“) entsprechend erweitern. Man wird sicher viele Modelle ausarbeiten und über die Jahre testen müssen, um herauszufinden, welche Beteiligungsansätze sich bewähren. Noch sehe ich hierzu keine breite Diskussion und kein breites Experimentieren im Dritten Sektor
    @foulder Dass es auch Menschen gibt, die sich nicht beteiligen wollen, ist mir klar. Es gibt deshalb auch keinen ‚Zwang zur Beteiligung‘. Notwendig sind aber vielerlei – auch niedrigschwellige – attraktive Beteiligungsangebote, um möglichst viele Bürger/innen mit ins Boot zu holen.
    Was die Freiwilligenmanagement-Modelle angeht, – es ist einfach schade, wenn entsprechend reduktionistische Modelle überall im Land imitiert werden und die ganze Entwicklung in falsche Richtung geht, nämlich in die „work-place conception of volunteers as part-time employees“ (Brudney/Meijs 2009, 567).

    • … da kann ich nur zustimmen. Das ist wirklich schade! Ich habe heute im Zug einen ersten Blick in die Neuauflage des Grundlagenbandes für das Management ehrenamtlicher Sozialarbeit von Rosenkranz und Weber geworfen. In der Tat spielt hier die Beteiligung („Co-Design“) nur eine untergeordnete Rolle. In den grundlegenden Beiträgen wird es zwar herausgestellt, in den anderen Beiträgen zum Management, die ich heute gelesen habe, kommt es aber in der Tat nur am Rande vor. Eine Ausnahme bildet da Thomas Kegel, der sich aber auch mit den „Perspektiven des Freiwilligenmanagements“ befasst, das Thema Partizipation damit also eher in die Zukunft rückt.

Newsletter – Lesenswertes dann und wann per E-Mail