Im Blog des betterplace LAB schreibt Joana Breidenbach über „gute“ und „dumme“ Preise. Aufhänger ist der Artikel von Kevin Starr, der im Stanford Social Innovation Review über Preise schreibt: „I think we could dump it all and not miss a thing.“ Für Starr ist also (fast) alles Mist — die bloße Zeitverschwendung. Joana relativiert:
Im schlechtesten Fall sind Wettbewerbe eine enorme Zeitverschwendung für NGOs und Gutachter. Bestenfalls können sie die unterschiedlichen Ziele von NGOs und Geldgebern vereinen und Geldgebern wie Ministerien, Unternehmen oder Stiftungen eine Bühne geben, auf der sie sich mit sozialen Themen und Innovationen assoziieren können. Ebenso sind Wettbewerbe gerade für junge Sozialunternehmer eine Chance, sich einen Namen zu machen und einen Zuschuss zum dringend benötigten und oft schwer zu beschaffenen Startkapital zu bekommen.
Summa summarum: Gute Preise lohnen sich wirtschaftlich, dumme nicht; „… darüber lässt sich streiten“ ergänzt Joana. Richtig! Hier mal ein paar Hinweise für Preise, die sich lohnen ohne sich zu rechnen:
Der Weg als das Ziel
Wer sich bei startsocial bewirbt, füllt einen umfangreichen Fragebogen aus, über den man sich wirklich Gedanken machen muss. Der Witz dabei: Man macht sich Gedanken über Dinge, an die man meistens noch nicht gedacht hat — zumindest nicht, wenn man kein Preisausschreiben-Mitmach-Profi ist. Gleichwohl der Business-Plan als Überblick über die eigenen Ressourcen auch in Engagementprojekten wichtig ist, ist es nicht so, dass diese (Denk) Arbeit sowieso ansteht. Meistens drückt man sich — da schließe ich mich nicht aus — so lange drum herum, bis es nicht mehr anders geht und das Kind im Zweifel schon in den Brunnen gefallen ist. Da ist es doch super, dass hier Anreize geschaffen werden, nachzudenken. Und das übrigens sehr wirtschaftlich und relativ fair: Der Gewinn bei startsocial wie auch der Gap zwischen Gewinnern und Verlierern ist recht übersichtlich.
Der Kampf um Anerkennung
Engagierte — auch Social Entrepreneurs — kämpfen um gesellschaftliche Anerkennung. Preise — auch die mit geringem Outcome — sind dementsprechend ein Mittel der öffentlichen Anerkennung. Unter freiwillig Engagierten werden Preisträger oft nach gängigen Vorstellungen vom altruistischen Ehrenamt gewürdigt — je länger einer engagiert ist, desto besser. Das trifft auf die Engagement-Projekte in ähnlicher Weise zu! Die müssen eben nützlich im Sinne des Ausschreibeden sein (innovativ, lückenfüllend, skalierbar etc.). Anerkannt wird also, was implizit oder explizit gewollt ist.
Etwas mehr auf die Wirtschaft gebürstet macht das auch Bruno Frey von der Universität Zürich deutlich. Frey, der Anerkennungsformen in Wirtschaftsunternehmen untersucht hat, schreibt in seinem Artikel „Geld oder Anerkennung?“, dass sich die Wirkung von Auszeichnungen nicht nur auf die ‚Gewinner‘ beschränkt:
Auch wer nicht gewinnt, kann eine Chance sehen, in der Zukunft ausgezeichnet zu werden und wird deshalb seine Leistung nicht verringern. Eine Auszeichnung kann schließlich auch die Allgemeinheit beeinflussen. Sie kann als expressiver Akt oder als Signal dafür angesehen werden, was die vergebende Institution als wertvolles Handeln ansieht (S. 13).
Vielleicht trifft es ja zu, dass das im Sektor der Sozialunternehmungen schon anders ist; dass Anerkennung hier nur noch mit barem Geld geäußert werden kann. Wenn das so wäre und es auch zuträfe, dass wir die meisten Preise schon in die Tonne treten könnten, weil sie sich für Sozialunternehmungen ohnehin nicht lohnen, wäre das (a) ziemlich asozial und dürfte sich (b) auf dem Neuen Markt auch bald selbst erledigen. Tut es aber nicht, sonst müsste ja keiner darüber Artikel schreiben.
Der Status-Zugewinn
Die höchste Auszeichnung der Bundesrepublik Deutschland besteht im Kern aus einem Stück Metall und einem medienwirksamen Händedruck. Für die Bundesverdienstorden gibt es kein Preisgeld und dennoch sind sie ziemlich was wert. Sie sind Symbole für einen (von Zeit zu Zeit anders definierten) Status. Das das ist bei normalen Preisen nicht anders. Sie symbolisieren einen gewissen Status in der Szene — sie bringen einen Distinktionsgewinn, der sich nicht unmittelbar in Geld umwandeln lässt, auf dem Weg dahin aber nützlich sein kann (Stichwort kulturelles Kapital).
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Nur so am Rande …
Ist es nicht eine Art Verschleierungstaktik, den Wert kulturellen Kapitals (Preise, Bildung, Geschmack etc.) gering zu schätzen, nachdem man in der Vergangenheit selbst davon profitiert hat, jetzt aber nicht mehr in dem Maße darauf angewiesen ist?[/message_box]
tl;dr: Preise, Auszeichnungen und Ehrungen sind nützlich. Sie symbolisieren Anerkennung — auch wenn sie sich nicht rechnen.