NPO-Blogparade: Zur Implementierung von Social Media Aktivitäten in NPOs

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Katrin Kiefer vom Blog netzwerkPR fragt in der nun 12. Runde der NPO-Blogparade, wie Social Media in gemeinnützigen Organisationen implementiert werden kann.

„Welche Schritte müssen NPOs vollziehen, um Social Media erfolgreich einsetzen zu können.“

Aus meiner Warte ist das eine spannende Frage. Besonders, weil ich in diesem Bereich einige Parallelen zur Freiwilligenarbeit bzw. zum Freiwilligen-Management vermute, wie es angelehnt an das Freiburger Managementmodell in der Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland gelehrt wird. Auch beim Management Freiwilliger geht es schließlich um die bewusste Steuerung dessen, was viele NPOs sowieso tun — Freiwillige bzw. Ehrenamtliche einbeziehen. Im Falle des Freiwilligen-Managements nur eben geplant, organisiert, koordiniert und aus- bzw. bewertet (vgl. Freiwilligen-Management in „Sozialwirtschaft Diskurs“).
Für wahr: Die Parallelen scheinen mir deutlich. Auch bei der Implementierung eines Freiwilligen-Managements muss mit Widerständen und verschiedensten Befürchtungen seitens der Mitarbeitenden und der Organisationsleitung umgegangen werden.

  • Berechtigte Fragen der Mitarbeitenden sehen dabei bspw. so aus: ‚Machen die Freiwilligen dann unsere Arbeit?’ ‚Werden wir durch sie ersetzt?’ ‚Sind wir Dienstleister(innen) für die Engagierten oder anders herum?’ ‚Wird die Mehrarbeit beim Einarbeiten der Freiwilligen bezahlt?’ …
  • Fragen der Organisationsleitung dagegen so: ‚Wie sind die Freiwilligen versichert?’ ‚Was machen wir mit Freiwilligen, die nicht zu unserer Organisation passen?’ ‚Wie können wir die Professionalität unserer eigentlichen Arbeit sichern bzw. wie kommunizieren wir das?’ ‚Wie müssen wir dann Organisationsinterna umgehen, von denen Freiwillige erfahren?’ …

Bezüglich des Social Media Einsatzes in NPOs höre ich in Work- und Infoshops zum Online-Freiwilligenarbeit, bei der mir die authentische Online-Kommunikation unabdingbar erscheit, häufig folgende Fragen:

  • Mitarbeitende: ‚Wo soll ich die Zeit für diese ganzen Aktivitäten hernehmen?’ ‚Wer bezahlt dann meine Überstunden?’ ‚Was ist mit meinen persönlichen Daten, muss ich die dann alle ins Netz stellen?’ ‚Was passiert, wenn ich etwas falsch mache?’ …
  • Organisationsleitung: ‚Wie kontrollieren wir den User Generated Content auf unserer Webplattform?’ ‚Können wir uns mit dem Social Web überhaupt gut darstellen?’ ‚Erreichen wir unsere Zielgruppe über das Social Web?’ …

Aus der Sicht eines geübten Netizens, dem die persönliche Kommunikation über die verschiedensten Social Media Tools in Fleisch und Blut übergegangen ist, mögen die genannten Fragen ein bisschen kleinkariert vorkommen. ‚Twittern geht neben bei, Facebook lässt sich auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn bedienen und falsch machen kann man eh’ nicht so viel; auch Rechtschreibfehler haben ihren Wert.’ (;-P)
Aber auch wenn es einige Menschen gibt, die meinen mit den neusten Kommunikationswerkzeugen perfekt umgehen zu können — und einige Netizens tun tatsächlich manchmal so — drücken diese immer wieder gestellten Fragen die Befürchtungen eben der Menschen aus, die zukünftig die Internetaktivitäten ihrer Organisation schultern sollen.
Bei den Überlegungen die eigene Organisation zukunftsfähig zu gestallten, sollte es freilich nicht darum gehen, so viel Kraft wie irgend möglich auf das Finden von Gegenargumenten zu verwenden (siehe Seth Godin: „the problem with non“). Befürchtungen, die im Arbeitsalltag dann zu handfesten Widerständen führen können, müssen aber wohl besprochen und geklärt werden. Ohne die Mitarbeitenden, die mit den Freiwilligen in direktem Kontakt stehen bzw. News mittels Social Media verbreiten sollen, wird schließlich nichts aus organisierter Freiwilligenarbeit oder dem brauchbareren Social Media Auftritt.
Ich denke schon nach diesen kurzen Ausführungen ist deutlich geworden, dass die Implementierung von Social Media Aktivitäten in NPOs ähnlich der der Implementierung eines Freiwilligen-Managements verlaufen kann. Angelehnt an die Prinzipien des Freiburger Management Modells, will ich also im Folgenden die ersten konkreten Schritte auf dem Weg zum Social Media Einsatz formulieren:

  1. Der erste Schritt zur Implementierung von Social Media Aktivitäten in einer Organisation muss die bewusste Entscheidung der Organisationsleitung für selbige sein. Dabei macht es – denke ich — keinen großen Unterschied, warum sich die Organisationsleitung dafür entschieden hat. Sei es nun das Marketing-Potential, das im Web 2.0 gesehen wird, der Wille eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet einzunehmen oder der npo-inhärente Auftrag zivilgesellschaftliche Prozesse zu begünstigen; die Entscheidung für den Social Media Einsatz zählt.
  2. Der zweite Schritt muss entsprechend meinen obigen Ausführungen die Kommunikation dieser Entscheidung und die Beschäftigung mit den Befürchtungen und Widerständen innerhalb der eigenen Organisation sein. Widerstände sind dabei nichts Schlechtes. Sie zeigen, wo es in Zukunft hacken könnte. Die verantwortlichen Mitarbeitenden, die die Social Media Aktivitäten schließlich schultern sollen, müssen also gehört werden. Sie müssen ihre Befürchtungen zum Ausdruck bringen und frei darüber Diskutieren, wie denn die Web-Kommunikation in ihren Arbeitsalltag integriert werden kann. Dabei sind sicherlich auch wieder Entscheidungen der Organisationsleitung vonnöten. Speziell, wenn es um die Vergütung dieses Mehraufwandes geht, können die Mitarbeitenden allein schließlich keine Lösung finden.
  3. Im dritten Schritt sollten gemeinsam Regeln und Leitlinien für die Web-Kommunikation vereinbart werden. Dabei gilt es weniger vorzuschreiben, was denn gesagt, geschrieben oder gefilmt werden darf, sondern was auf keinen Fall im Netz landen sollte. Diese Regeln sollten in einer userfreundlichen Form dann auch auf der Website der Organisation zu finden sein, um Unsicherheiten vorzubeugen und so auch Barrieren abzubauen.
  4. Wenn diese organisationsinternen Grundlagen für den Social Media Einsatz geschaffen sind, kann der vierte Schritt folgen: Die Konzeption des Auftrittes in den verschiedenen Social Media Diensten. Welche Zielgruppe soll über die verschiedenen Kanäle erreichen und wie? Welche Tools sollen überhaupt genutzt werden? Welche Art von Content soll in Facebook, welche in Twitter, was bei Xing und was bei Flickr eingestellt werden? Besonders wichtig ist diese Konzeption um Usreinnen und User, die der NPO auf mehreren Kanälen folgen, nicht mit exorbitant viel und immer gleichem Content zu erschlagen. (Was bei Obamageklappt hat, klappt nicht zwangsläufig in jedr NPO!)
  5. Schließlich folgt im fünften Schritt der Start oder auch das „kick off“. Hier gilt es zuallererst neugierig auszuprobieren und die gröbsten Fehler schon am Anfang zu machen, wenn es gerade einmal der „Harte Kern“ mitbekommt. Der gibt die Gefolgschaft nämlich nicht so einfach auf — ist nicht so schnell irritiert oder frustriert, weil man ja weiß, dass die Aktionen noch in den Kinderschuhen stecken.
  6. Wenn die ersten Schritte mit Social Media Tools gemacht wurden und die Bedienung immer leichter von der Hand geht — es dauert mit unter einige Zeit bis dahin — gilt es im nun sechsten Schritt gezielt Netzwerke zu knüpfen und mit Stakeholdern in Kontakt zu treten.

Absichtlich nicht bei den einzelnen Schritten gelistet sind Evaluation und Bewertung der Social Media Aktivitäten. Diese lassen sich meiner Ansicht nach nämlich weniger zu einem Schritt in einer logischen Abfolge zusammenfassen, als viel mehr als ein umfassender Prozess verstehen. Ob schließlich mit dem Social Media Einsatz das erreicht wird, was erreicht werden sollte, kann nur bestätigt oder widerlegt werden, wenn die einzelnen Aktionen von Beginn an aus- und bewertet werden.
Die vorgestellten Schritte zur Implementierung von Social Media Aktivitäten in NPOs lesen sich sicherlich einfacher als sie schlussendlich umzusetzen sind. Schon bei Schritt eins – der Entscheidung der Organisationsleitung — ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns groß. Häufig höre ich von Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen, die schon bei dem Wort „Social Media“ abschalten. Nicht etwa, weil sie nichts von dem „neuen Internet“ halten, sondern weil ihnen die Fachsprache voller Anglizismen, die sich übersetzt auch nicht viel besser anhören, per se suspekt ist. ‚Müssen wir den jeden Mist nachahmen, den uns die Amis vormachen?’
Hier sind die Social Media Nutzerinnen und Nutzer gefragt, die schon in der Organisation arbeiten. Sie müssen Übersetzungs- und Überzeugungsarbeit leisten und die Möglichkeiten eines Social Media Einsatz in der NPO so eingängig wie möglich erläutern. (Wie Jayne Cravens zeigt ist das auch beim Freiwilligen-Managemet nicht anders.) Sicherlich können hier auch Beraterinnen und Berater eine Rolle spielen, doch braucht es hier auch wieder eine Entscheidung der Leitungsebene, die sich — ob aus Unsicherheit oder mangelnder Erfahrung — gegen eine proaktive Webkommunikation sträubt.
Auch wenn es keine einfache Aufgabe ist, in einer eher traditionell kommunizierenden NPO für den Social Media Einsatz zu kämpfen, es lohnt sich — auch und gerade für die Angestellten, die sich dabei nämlich eine wichtige Nische erkämpfen können. Außerdem meine ich bei Organisationsinternen Netizens den Vorteil einer schnelleren Einarbeitung in die organisationelle Webkommunikation auszumachen. Als Insiderinnen und Insider (im doppelten Sinne) können sie das von Katrin Kiefer ebenfalls angesprochene Problem der alten Kommunikation in neuen Kanälen eher verhindern.

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