Blick ins Buch: Motivation und Anerkennung im freiwilligen Engagement

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Titel: Motivation und Anerkennung im freiwilligen EngagementDie Öffentlichkeitsarbeit ist ein wesentlicher Aufgabenbereich im Freiwilligenmanagement. Um neue Freiwillige zu gewinnen, ist es einfach sinnvoll, potentiell Interessierte von seinen Engagementangeboten wissen zu lassen. Allein aber solche Offerten als „Gesuche“ auf der eigenen Webseite oder Engagementdatenbanken zu publizieren und sie dann über Facebook, Twitter und Co. zu bewerben, reicht nicht aus. Einerseits sind Social Networking Dienste wie Facebook — so Christoph Bieber in seiner Vorlesung über den Obama-Effekt — eher auf der Einstellungs- und weniger auf der Handlungsebene wirksam, andererseits lehren uns Analysen von Geschmacks-Clustern (Bolz 2010) und Filter-Bubbles (Praiser 2011), dass Nachrichten im Internet nicht immer dort ankommen, wo man sie gern hätte.
Eine strategisch geplante und gut durchdachte Öffentlichkeitsarbeit ist im Freiwilligenmanagement dementsprechend notwendig. Genau diese wird in den einschlägigen Publikationen aber häufig nur am Rande behandelt. Lisa Katrin Schürmann schreibt in ihrer nun veröffentlichten Masterarbeit:

Auffällig ist, dass die Öffentlichkeitsarbeit […] meist nur ein kleiner Unterbereich des umfassenderen Kapitels ‚Freiwilligenmanagement‘ ist. Im Handbuch ‚Gemeinde & Presbyterium: Systemische Ehrenamtsarbeit‘ widmet der Leitfaden ‚Ehrenamt mit System‘ dem Thema ‚Ehrenamtliche gewinnen‘ beispielsweise nur einen Abschnitt (Schürmann 2013: 95).

Ähnliches gilt auch für das erst letztes Jahr neu aufgelegte ‚Standardwerk‘ für das Freiwilligenmanagement in der Sozialen Arbeit von Doris Rosenkranz und Angelika Weber (ebd.: 2012). Hier widmen sich gerade einmal zwei kurze Beiträge explizit der Öffentlichkeitsarbeit (Bönte 2012: 90ff.; Deeg 2012: 98ff.), wobei lediglich die Grundlagen und einige (ernüchternde) Praxisbeispiele aus der Sozialen Arbeit zusammengestellt werden. Mit ihrem Praxisleitfaden „13 Schritte für eine online-gestützte Öffentlichkeitsarbeit“ unternimmt Lisa den Versuch, diese Lücke zu füllen.

Aufbau und Herangehensweise

Ihre Arbeit, die insgesamt acht Kapitel umfasst, ist in drei größere Teile gegliedert: Grundlagen, Fallbeispiele und Praxisleitfaden. Lisas Vorgehen ist deduktiv, wobei sie die wesentlichen Aspekte der (theoretischen) Grundlagen in Zwischenfazits zusammenfasst und später wieder aufnimmt:

  • Am Anfang stehen die Grundlagen zum freiwilligen Engagement, wobei Lisa dem Interneteinsatz hier eine besondere Bedeutung beimisst und auch dem Online-Volunteering ein Unterkapitel widmet (S. 54). In den Vordergrund stehen in diesem ersten Teil aber motivationspsychologische Grundlagen. Hierfür werden zuerst die Erkenntnisse von Edward L. Deci und Richard M. Ryan (Theorie der Selbstbestimmung) sowie Mihaly Csikszentmihalyi (Flow-Erleben) zu intrinsischer Motivation mit dem „letztgültiges Ziel“ der Kompetenzsteigerung (S. 35; Schiefele/Streblow 2005: 53) umrissen, bevor anschließend auf aktuelle Untersuchungen zur Motivation freiwillig Engagierter eingegangen wird. Als Grundlage ihrer weiteren Arbeit beschreibt Lisa abschließend die sechs Dimensionen des funktionalen Ansatzes nach Clary et al. (1998: 1517ff.; S. 41ff.).
  • Im zweiten Teil ihrer Arbeit analysiert Lisa drei Kampagnen, die im Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011 in Deutschland, Schweden und der Schweiz durchgeführt wurden (S. 56ff.). Die Analysen umfassen jeweils das freiwillige Engagement sowie der Internet und Social Media Einsatz innerhalb der untersuchten Organisationen, die Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit vor 2011 und die Aktivitäten im Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit. Den Schwerpunk legt Lisa in diesem Teil auf die jeweilige Kampagne von 2011, die sie auf ihre Aufmachung (z.B. Titelbild), den Internet und Social Media Einsatz sowie die Rolle der Freiwilligen während der Kampagne untersucht.
  • Im dritten Teil ihrer Arbeit trägt Lisa die Erkenntnisse aus den vorangegangenen Kapiteln zusammen und formuliert 13 Schritte für die Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel neue Freiwillige zu gewinnen und bereits Engagierte in ihrer Tätigkeit zu bestärken.

Dieser Leitfaden kann dazu dienen, eine Öffentlichkeitsarbeit bzw. eine Kampagne zum Thema freiwilliges Engagement im Bereich Internet/ Social Web anzugehen und wichtige Aspekte nicht aus dem Blick zu verlieren. Primär richtet sich der Leitfaden dabei an Freiwilligenorganisationen. Aber auch Freiwilligenagenturen und engagierte Einzelpersonen können ihn anwenden (Schürmann 2013: 108).

Ihren Leitfaden will Lisa nicht als abschließende Handlungsanweisung verstanden wissen. Vor dem Hintergrund der sich rasch ändernden Gegebenheiten bei der Öffentlichkeitsarbeit im Social Web wäre ein solch statischer Ablaufplan wenig nützlich. Allerdings — so Lisa (S. 108) — macht es durchaus Sinn die einzelnen Fragen der Reihe nach zu beantworten, weil diese auch aufeinander aufbauen.

Motivation und Anerkennung

Die Lektüre dieses Büchleins mit seinen gerade 112 Seiten hat mir wirklich Spaß gemacht. Ich hatte von Lisa seit Mai 2011 immer wieder Updates zu ihrer Masterarbeit und der Veröffentlichung bekommen und war dementsprechend gespannt auf das Endergebnis. Der Versuchung, gleich zum Leitfaden vor zu blättern, musste ich ein wenig wiederstehen, habe aber so ‚nebenbei‘ auch einige neue Erkenntnisse gewonnen; z.B. zu den motivationspsychologischen Grundlagen. Mit der Theorie des Flow-Erlebens hatte ich mich im Rahmen meiner Diplomarbeit intensiv befasst. Von der Theorie der Selbstbestimmung dagegen hatte ich bisher nur am Rande gehört und die Klammerung mit dem „letztgültigen Ziel“ der Kompetenzsteigerung war mir noch völlig neu. Von dieser Stelle aus, werde ich sicherlich noch etwas weiter recherchieren.
Wie aber alles auf der Welt hatte auch das disziplinierte Von-Vorn-Nach-Hinten-Lesen seine dunkle Seite. Ich habe mich durch Kapitel gelesen, deren Inhalt mir zu großen Teilen bekannt war, womit sich der Blick schnell auf das Ringsherum richtet. Ein paar kritische Punkte seien dazu kurz angemerkt:

    • Etwas anstrengend fand ich die bisweilen künstlich-umständliche Sprache. Die gut nachvollziehbaren Befunde, die Lisa regelmäßig in ihren Zwischenfazits zusammenfasst, wären in klarer einfacher Sprache m.E. besser aufgehoben.
    • Wenig begeistert war ich von der vielen sekundären und grauen Literatur. Es machst das ‚Eintauchen‘ in die Materie nicht einfach, wenn man befürchten muss interessante Fakten und Befunde (z.B. das „letztgültige Ziel“) dreimal um die Ecke recherchieren zu müssen.
    • Den Argus-Augen nicht entgangen sind ein paar ärgerliche Zahlendreher bei der aktuellen Lage freiwilligen Engagements in Deutschland (S. 26f.). Die Engagementquote in Deutschland ist seit 1999 — nicht seit 2004 — von 34% auf 36% gestiegen und die Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ wurde 1999 eingesetzt — nicht 2002.
    • Schade fand ich, dass im Grundlagen-Teil die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Anerkennung fehlte. Lisa scheint Motivation und Anerkennung irgendwie gleich zu setzen. Das kann man durchaus so sehen, angesichts des manigfaltigen Verständnisses von Anerkennung im freiwilligen Engagement hätte ich mir ein kurzes Statement dazu gewünscht.

Bemerkenswert finde ich die Selbstverständlichkeit, mit der Lisa den Adressatenkreis der Öffentlichkeitsarbeit über neue Freiwillige hinaus auch auf bereits Engagierten ausweitet. In den wenigen Publikationen, in denen die Öffentlichkeitsarbeit als wesentliches Aufgabenbereich des Freiwilligenmanagements behandelt wird, liegt der Fokus eher darauf, Interessierte anzusprechen bzw. über die aktuellen Angebote zu informieren. Dabei muss eine gute Öffentlichkeitsarbeit durchaus zur Anerkennungskultur in Freiwilligenorganisationen gezählt werden — das zumindest ist in den Kapiteln zur Anerkennungskultur immer wieder zu lesen. Beides, sowohl Anerkennung durch Öffentlichkeitsarbeit als auch die Öffentlichkeitsarbeit zur Gewinnung neuer Freiwilliger, — das zeigt Lisa — können sich gut ergänzen.

Fazit

In ihrer Arbeit befasst sich Lisa mit der Motivation und Bindung freiwillig Engagierter mit den Mitteln und Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit; ein Themengebiet, das in letzter Zeit in ganz unterschiedlichen Engagementbereichen entdeckt wurde und zu dem wohl auch künftig Expertise nachgefragt werden wird. Mit den Kampagnen zum Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011 in Deutschland, Schweden und der Schweiz hat Lisa interessante Fallbeispiele ausgewählt, mit denen sie auch aufzeigen konnte, was in Deutschland ‚normalerweise‘ unter den Tisch fällt (z.B. die Freiwilligentätigkeit bei der Organisation von Kampagnen). Besonders gefallen hat mir das Beispiel aus Deutschland. Hier nahm Lisa die Jahreskampagne des Diakonischen Bundesverbandes „Da sein, nah sein, Mensch sein“ unter die Lupe.
Wenngleich die Analyse-Ergebnisse im Einzelnen etwas ernüchternd sind, finde ich außerdem Lisas Einbezug des Online-Volunteering lobenswert. Zwar war das freiwillige Engagement über das Internet bei keiner der drei untersuchten Kampagnen von Bedeutung, doch steigt mit der gesellschaftlichen Relevanz des Netzes und seinen Sozialen Medien auch die Bedeutung des wirksamen Einbezugs von Online-Volunteers. In ihrem Fazit weist Lisa auf das Potential dieser neuen Wege zum Engagement hin und ergänzt:

Sich diesen Entwicklungen offen und transparent zu stellen, auf Augenhöhe zu kommunizieren und freiwillig Engagierte nicht nur zu informieren, sondern (z.B. durch Angebote des Online-Volunteering) auch einzubeziehen, sind Aufgaben, die ein großes Maß an zeitlichem, personellem und strategischen Planungsaufwand bedürfen (Schürmann 2013: 111).

Und zum Schluss: Lisas Arbeit zu Motivation und Anerkennung im freiwilligen Engagement. Kampagnen und ihre Umsetzung in Internet und Social Media“ ist beim Springer Verlag für Sozialwissenschaften erschienen und kostet 29,99 €. Es handelt sich um eine wissenschaftliche Arbeit mit einem profunden, praxisnahen Ergebnis, das nun aber auch in der Praxis erprobt und weiterentwickelt werden müsste. Für Freiwilligenmanagerinnen und -manager lohnt sich der Blick in den Leitfaden ganz bestimmt. Für Studierende der Kommunikationswissenschaften, Soziologie und (Medien) Pädagogik ist die Lektüre m.E. aber nicht geeignet.

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