Marc Boos, Online-Redakteur bei der Caritas, fragt in der 30. NPO-Blogparade, wen wir eigentlich noch über die Sozialen Medien erreichen — und zu welchem Preis. Marcs Frage zielt vor allem auf die Herausforderungen für das Marketing von Nonprofits — gemeinnützige Organisationen, die sich in der Aufmerksamkeitsökonomie Sozialer Medien behaupten müssen und dabei von Plattformbetreibern wie Facebook gnadenlos ausgenommen werden. Geld für Reichweite! Nonprofits stehen im Netz davidgleich den Goliaths der schönen neuen Medienwelt gegenüber: Amnesty gegen Audi, Caritas gegen Coca Cola, Diakonie gegen Daimler, Red Cross gegen Red Bull und WWF gegen WMF.
Doch Jammern hilft nichts! Kreativität und das richtige Gespür für das nächste Meme ist gefragt. Wir müssen die Balance zwischen Clickbaiting und seriöser Information finden. Wir müssen schauen, dass wir mit unseren Fans und Followern auf einer Wellenlänge bleiben. Und natürlich müssen wir sehen, das jeder Cent, den wir für Reichweite im Internet ausgeben, auch wirkt. Was wir nicht alles müssen!
Wer ist „wir“?
Wir, das sind natürlich die Blogger und Twitterer, die Facebook-, Instagram-, WhatsApp- oder Snapchat-Versteher in der Nonprofit-Welt. Wir sind die, die bei so etwas wie einer Blogparade oder einem Twitchat mitmachen. Wir sind die, die gefragt werden und geduldig erklären, was ein MOOC ist und wie man ein Wiki bedient. Aber sind wir — die „Onliner“ — diejenigen, die allein gegen die Medien-Riesen dieser Welt zu Felde ziehen müssen? Ich glaube nicht!
Eigentlich sind „wir“ nämlich ziemlich viele. Knapp ein Drittel der Deutschen engagiert sich ernsthaft ehrenamtlich in einem Verein. Dazu kommen noch ein paar Millionen Hauptamtliche, die in Nonprofits arbeiten. Und alle haben sie etwas zu erzählen — am Stammtisch in der Kneipe, beim Abendessen mit der Familie, auf Partys mit Freunden und wo sie sonst noch gefragt werden, was sie eigentlich so machen. Reichweite ist nicht das Problem!
Was ist das Problem?
Das Problem ist, dass sich zu wenige von uns darüber Gedanken machen, wie, wo und warum sie etwas kundtun sollten. Schon vor einigen Jahren wurde erkannt, dass die breite Nutzung Sozialer Medien für Nonprofits einiges Potential bietet, die gedankenlose Veröffentlichung von Inhalten aber ein ernsthaftes Problem sein kann. Social Media Guidelines und Policys kamen in Mode. Damit sollten einerseits natürlich die roten Linien der privaten Social Media Kommunikation gezogen andererseits aber auch dazu ermutigt werden, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Einige Policys und Guidelines — allem voran die vom Österreichischen Roten Kreuz und der Caritas Deutschland — wurden mit viel Mühe um breite Beteiligung erstellt. Viel zu viele allerdings wurden hastig bei irgendwelchen Agenturen in Auftrag gegeben oder gleich aus ‚best practices‘ zusammenkopiert. Papier vollgeschrieben, Fall erledigt! Die potentielle Reichweite von Nonprofits ist so aber nicht zu nutzen!
Was ist zu tun?
Der Gesprächsfaden zu den Möglichkeiten, Grenzen, Herausforderungen und Fallstricken privater und dienstlicher Social Media Kommunikation darf nicht abreißen. In unserer Medienwelt, die sich so rasant ändert, bleiben sonst zu viele auf der Strecke oder begeben sich gar nicht erst auf den Weg. ‚Die Onliner können das ja schließlich viel besser‘ heißt es dann. Eine fatale Zuschreibung und Selbstbeschneidung von Nonprofits, die jene, die übrig bleiben, einander Fragen lässt, wen man zu welchem Preis in den Sozialen Medien noch erreichen kann.
Die Formate des Austusches über solche Fragen will ich gar nicht kritisieren! Ich finde es richtig und wichtig, dass diese Frage gestellt und öffentlich diskutiert wird. Weil ich aber nun auch schon 30 Runden der NPO-Blogparade miterlebt habe, weiß ich, dass der Kreis der Diskutanten recht übersichtlich ist. Das hat natürlich den Vorteil, dass wir auch wirklich einander zuhören und damit auch etwas tiefer gehen können. Das heißt aber auch, dass wir unsere Learnings anderen zugänglich machen müssen. Auch wenn es anstrengend ist, die Funktion und den Nutzen von (Micro-) Blogs und Sozialen Netzwerken immer und immer wieder zu erklären, müssen wir Orte des Austusches nutzen und dazu ermutigen, selbst in den Sozialen Medien aktiv zu werden.
Was tun wir?
Mit virtuellen Stammtischen und den Geschichten zur Nutzung Sozialer Medien hat die Caritas vorgemacht, wie es gehen kann: Sie sind mit den Akteuren vor Ort ins Gespräch gegangen, haben kollegiale Beratung initiiert und Mut gemacht, sich den Herausforderungen anzunehmen. Vor Ort erzählen, was vor Ort geschieht, so kann es funktionieren! Solche Geschichten können die Coca Colas und Red Bulls dieser Welt nicht erzählen; genauso wenig übrigens wie die Presse- und Marketingabteilungen von DRK, Caritas und Co. Das ist unsere wahre Stärke und unser Pfund in der Aufmerksamkeitsökonomie der Sozialen Medien.
Um dieses Pfund auf die Waagschale zu bringen, nehmen wir im DRK derzeit das Thema Social Media Policy wieder auf. Wir sind dabei, einen verbandweiten Dialog-Prozess zu initiieren an dessen Ende zunächst nicht ein Policy-Paper sondern viele Orte des Austausches und der kollegialen Beratung stehen. Orte in denen natürlich Vereinbarungen (Policys) über die Dos und Dont’s der Social Media Nutzung verhandelt und aufgeschrieben werden können und sollten! Orte aber eben auch, an denen die Onliner des Verbandes tun können, was sie eigentlich tun sollten: andere zur Social Media Nutzung ermutigen und mit gutem Rat zur Seite stehen.
Im DRK-Generalsekretariat habe ich dafür zum Beispiel einen Media-Lunch ins Leben gerufen, zu dem ich interessierte Kolleginnen und Kollegen alle zwei Monate einlade. In Niedersachsen tauschen sich Interessierte aus Kreisverbänden und Einrichtungen über eine WhatsApp-Gruppe aus und in Rheinland-Pfalz macht das DiNa-Mobil bei mehreren DRK-Gliederungen halt. Im Oktober dieses Jahres steht mit dem CROSS MEDA DAY dann das erste bundesweite BarCamp in Berlin an, wo sich die Onliner des Verbandes und jene, die es werden wollen, über die Landesverbandsgrenzen hinweg austauschen und vernetzen können. Und auch das ist nur ein Impuls aus dem sich weitere Schritte auf dem Weg ergeben — zum Beispiel virtuelle Stammtische, Facebook-Gruppen oder Mailing-Listen…
tl;dr: Wir, die vielen Menschen in Nonprofits, erreichen Menschen in unserem Umfeld mit Geschichten, die sie und uns betreffen. Dafür, diese Geschichten zu erzählen, sind nicht allein die „Onliner“ zuständig! An Orten des Austausches können Sie aber helfen, die vielen Menschen in Nonprofits für die Sozialen Medien fit zu machen.