Reiselust – Soziale Innovation & Digitalisierung beim Deutschen Roten Kreuz

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Mein Urlaub neigt sich dem Ende zu. Vier Wochen für Familie, Freunde, Herd und Heim. Vier Wochen statt zwei, weil ich im letzten Jahr nur sehr sporadisch Auszeiten nahm … Wie die letzten beiden Jahre nutze ich meine Zeit ›zwischen den Jahren‹, um zurückzublicken und mir auch ein paar (etwas schwurbelig-philosophische) Gedanken über das kommende zu machen. Viel Spaß damit!

»Wir helfen, den digitalen Wandel mit sozialen Innovationen zu gestalten« – das hat sich im Laufe der letzten beiden Jahre als Kern der Arbeit in unserem »Cluster« herauskristallisiert. Wir »sensibilisieren« für die unterschiedlichen Themen, Ansätze und Fragestellungen, wir »befähigen« mit bedarfsgerechten Angeboten wie Workshops und Schulungen, wir »pilotieren« neue Ansätze und wir »skalieren« vielversprechende Innovationen. Und das alles, um dabei zu helfen, die Angebote und Leistungen der DRK-Wohlfahrt noch besser zu machen.

Die DRK-Wohlfahrt auf Reisen

Die »Digitalisierungsreise« der DRK-Wohlfahrt war eine sehr schöne Idee meiner Kollegin Kassandra. Als Metapher bietet sie ein tolles Bild gemeinsamer Unternehmungen, von denen man erzählen und für die man andere begeistern kann. Sie hilft aber auch zu zeigen, dass »Sensibilisieren« vor »Befähigen« kommt und »Skalieren« ohne »Pilotieren« keinen Zweck hat. Kurzum: Die Reise-Metapher ist vielseitig einsetzbar und funktioniert für Digital- wie auch für Management-Themen – das habe ich zum Beispiel auf dem SozialCamp in Siegburg/Bonn und der ConSozial in Nürnberg getestet.

Erzählt habe ich dabei unter anderem von Projekten, die ich letztes Jahr mitorganisiert und begleitet habe: den Relaunch der DRK-Wohlfahrt.de, die »Intrapreneurship-Tagung« und den Cross Media Day.

DRK-Wohlfahrt.deBETA

Von der neuen Webseite der DRK-Wohlfahrt habe ich 2018 jedem erzählt, der nur lange genug stillhielt. Ich schätze, einigen quillt es schon aus den Ohren. Anyway! Unsere digitale »Homebase« ist, finde ich, gut gelungen. Die DRK-Wohlfahrt.de ist nicht nur eine anständig gestaltete, informative Webseite, sie ist auch ein Lern- und Experimentierraum für selbstständiges und eigenverantwortliches Content-Marketing – ein Arbeitsfeld, das in der Sozialarbeit seit Jahren immer wichtiger wird.

Wir wollen mehr Austausch wagen – zur neuen DRK-Wohlfahrt.de

Die neue Webseite gehört zur Digitalisierungsreise des DRK-Bundesverbandes. Eine Reise, auf der wir neue Perspektiven entdecken können. Neue Perspektiven nicht nur auf die Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch auf soziale Netzwerke und digitale Technik. Eine Reise aber auch, auf der wir uns sehen und entdecken lassen – auf der wir zeigen, was wir eigentlich machen, womit wir uns wirklich beschäftigen und was man vielleicht auch von uns lernen kann.

Seit Ende September ist die neue DRK-Wohlfahrt.de online, längst aber noch nicht fertig. Deshalb ist sie mit dem (ewigen) BETA versehen: Es gilt noch viel anzupassen, zu üben und auszuprobieren! Die ersten Schritte aber sind vielversprechend: 100 Tage nach Livegang wurden etwa 60 Blogbeiträge (ca. 4 pro Woche) veröffentlicht; darunter zahlreiche Einblicke in die ganz konkrete Arbeit im DRK-Bundesverband, einige Buch-Rezensionen, Interviews und auch Gastbeiträge (u.a. von Jens Spahn).

»Intrapreneurship-Tagung«

Beim Relaunch der DRK-Wohlfahrt.de und auch sonst erproben wir Methoden aus der Welt des Design Thinking. »Zettel kleben« fällt mir nicht immer leicht! Ich neige dazu, voraus zu greifen und ›klug‹ zu argumentieren, anstatt die Gedanken einfach fließen zu lassen. Zurückhaltung strengt mich an. Ich habe aber gemerkt, dass es sich lohnt, Schritt für Schritt den Fokus von der Herausforderung auf die Nutzenden, von möglichen Lösungen auf ihre Wirkungsweisen, auf’s Prototyping und schließlich auf’s Testen zu legen. Nicht, dass dabei die disruptiven Ideen nur so sprudeln! Gute neue Ideen auf die man sich verständigen kann, kommen aber regelmäßig dabei raus.

Mit dem Reise-Ziel »Sensibilisieren« ist genau das gemeint: Grundlagen schaffen für bewusste Entscheidung. Nur mal von neuen Methoden oder Formaten zu lesen, reicht nicht aus. Man muss sie selbst erproben! Man muss wissen, was es ›kostet‹, sich darauf einzulassen und mindestens eine Ahnung davon entwickeln, was dabei herauskommen kann.

Und eben hierum ging es bei der »Intrapreneurship-Tagung« im August. Passend zum Bild unserer Reise haben wir uns am Hauptbahnhof in Kassel getroffen, um uns mit Methoden und Ansätze rings um soziale Innovationen zu beschäftigen. Auf dem Programm stand Design Thinking, Wirkungsorientierung und Skalierung durch Transfer.

Video-Doku zur »Intrapreneurship-Tagung« [Langfassung]

Das Feedback zur Tragung war gut. Einzig der Titel stieß auf wenig Gegenliebe. »Intrapreneurship« war dann vielleicht doch etwas zu verkopft. Doch wie dem auch sei! Ihre Wirkung hat das große Innovator!nnen-Treffen – inklusive abendlichem Bahnsteig-Barbecue – nicht verfehlt: Nur ein paar Tage später, als ich zu Gast in einem Kreisverband war, fragte der eingeladene Redner, ob man denn schon mal von ›Design Thinking‹ gehört habe – die ganze Runde winkte ab.

Cross Media Day

Wie den Prozess des Design Thinking muss man auch das BarCamp-Format erleben, um für sich selbst entscheiden zu können, was es taugt. Mit dem Cross Media Day – dem DRK-BarCamp zu sozialen Innovationen, Digitalisierung und Social Media – haben wir nicht nur eine Plattform für neues Netzwerken im Verband etabliert. Der CMD bietet Neulingen auch die Möglichkeit, das BarCamp-Format in heimelicher DRK-Runde kennen zu lernen.

Als wir 2017 den ersten Cross Media Day in Berlin pilotierten, kam die Sache ziemlich gut an. Schon zum Mittag wurde gefragt, ob der CMD jetzt regelmäßig stattfindet. Das Ziel vor Augen, so viele DRKler!nnen wie möglich für das BarCamp-Format zu sensibilisieren, blieb eigentlich nur eine Antwort: »Ja!« Und um nicht nur mehr Leute mit dem Cross Media Day zu erreichen, sondern das BarCamp-Format im gesamten DRK zu ›skalieren‹, entstand die Idee, den CMD auf Reisen zu schicken.

Tweets & Sessions beim Cross Media Day 2018

Anstatt also auch den zweiten Cross Media Day im Konferenzzentrum des DRK-Generalsekretariats abzuhalten, machten wir uns auf die Suche nach einem willigen Host für das Event. Das Bayerische Rote Kreuz sagte zu und richtete einen großartigen zweiten Cross Media Day in der Münchner ADAC-Zentrale aus. Das hatte gleich mehrere positive Effekte: Zum Ersten konnten mehr DRKler!nnen aus Süddeutschland (insb. Bayern) teilnehmen, zum Zweiten konnten im DRK-Landesverband Kompetenzen für die Organisation und Moderation eines BarCamps aufgebaut werden und zum Dritten konnte ich selbst Erfahrung mit der Begleitung solcher Planungs- und Lernprozesse machen.

Kein Land in Sicht!

Ich glaube, dass wir mit der Stärkung der regionalen Ebene einen guten Ansatz gefunden haben. Im kommenden Jahr werden wir beginnen, ihn mit zusätzlichen Ressourcen zu skalieren. Im Aufbau sind dafür aktuell zwei regionale Kompetenzzentren in Münster und Magdeburg. Zwei Piloten der Digitalisierungs-Beratung, die im kommenden Jahr das Fliegen lernen müssen, um mit anderen Menschen auf die Reise gehen zu können.

Eine Reise, die – wie unsere »Digitalisierungsreise« – eine des Heraustretens, des Lernens und Experimentierens ist. Eine Reise, die verändert! Und eine Reise, bei der Ankommen bedeutet, gemeinsam weiterzureisen. Denn Veränderung ist das einzige, was Bestand hat in der Welt! Selbst wenn sich die »digitale Transformation« perspektivisch entschleunigt – was ich nicht glaube – wird es kein ankommen, keinen Endzustand, kein »jetzt haben wir’s aber geschafft« geben.

Mit dieser »Reise ohne Ende« hatte ich mich vor Jahren schon am Rande meiner Masterarbeit beschäftigt als es um die Methodik der Grounded Theory ging. Die empirisch begründete Theoriebildung steht – wie die meisten Innovationsansätze auch – in der Denk-Tradition des amerikanischen Pragmatismus, für den Hans Blumenbergs Metapher vom »Schiffbruch mit Zuschauern« ein gutes Bild liefert:

[Die] Rolle des Zuschauers [ist] obsolet geworden …, weil es keinen festen Standpunkt mehr gibt, von dem man das Geschehen betrachten kann. Nunmehr hat sich jeder – sofern er im pragmatischen Sinne klug ist – auf das Treiben im Meer einzurichten, von Landung und Hafen ist letztlich keine Rede mehr (Müller 2006)

Ein Weg mit diesem deprimierenden »Treiben im Meer« umzugehen, ist sicherlich, konsequent dem Fixstern einer Vision der Gesellschaft von Morgen zu folgen. Die Mittel der Wirkungsorientierung mögen dafür gute Werkzeuge sein. Allein Wirkung aber macht nicht Glücklich! Es gibt mehr als »Social Impact« auf der Welt!

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