Anlässlich der Woche des bürgerschaftlichen Engagements, die alljährlich vom BBE organisiert wird, luden Brigitte Reiser und ich zu einer neuen Runde der NPO-Blogparade ein. Unser Thema:
„Freiwilliges Engagement attraktiver machen – aber wie?!“
Meine Hoffnung, die Wochen des bürgerschaftlichen Engagements — sowohl die bundesweite als auch die in Berlin — ins Netz zu holen, war mit dieser Blogparade nicht einzulösen. Trotz Verlängerung blieben Beiträge aus den Kreisen des BBE und der Landesfreiwilligenagentur Berlin aus, sodass der sich entwickelnde Diskurs nicht über den Kreis der Blogosphäre hinausging. Dafür aber gingen aus unserem Blogger!nnen-Netzwerk einige sehr gute Beiträge ein. Beiträge, die ein Schlaglicht auf die vielen konstruktiven Ideen zum Thema werfen.
Wie kann man freiwilliges Engagement attraktiver machen?
Stefan Zollondz schlägt „Liquid Engagement“ vor, um freiwilliges Engagement attraktiver zu machen. Darunter versteht er
… eine flexible Form der Beteiligung innerhalb der Bürgergesellschaft. Die Person, die sich liquid engagiert bringt ihr spezifisches Wissen selbstbestimmt an Stellen ein, wo sie einen hedonistisch geprägten Handlungsbedarf sieht. Dabei kommt es im besten Fall zu einer temporären Identifikation mit dem Empfänger des Engagements.
Für Organisationen ist es folglich wichtig, ganz unterschiedliche Andock-Möglichkeiten für das ’sie umfließende‘ Bürgerengagement zu schaffen. Wie dies praktisch funktionieren kann, lässt sich zum Beispiel bei Kampagnen beobachten, die Bürgerinnen und Bürger in dezentralisierte, selbstorganisierte Events einbinden. Carsten Direske beschreibt solche „decentralised events“ im Campact -Blog.
Aus meiner Warte ist es im freiwilligen Engagement besonders wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger ihre individuellen Kompetenzen entfalten und weiterentwickeln können. Dafür sollten die Herausforderungen im Zeitverlauf eines Engagements stets anspruchsvoller werden, damit keine Langeweile aufkommt. In ihrem Kommentar zu meinem Beitrag wies Lisa Schürmann daraufhin, wie wichtig es für Nonprofits dementsprechend sein müsste, auch „ungewollte“ Kompetenzen einbinden zu können — das weiterzuentwickelnde Kompetenzthema also aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger, nicht aber ausschließlich aus der Perspektive der Organisation zu betrachten.
Engagement, schreibt Julia Russau in ihrem Beitrag, muss kritisch, attraktiv und/oder einfach umzusetzen sein, — es muss sich also für oder gegen etwas richten, das man „unbedingt verändern möchte“, dabei die „bessere“ Alternative zu konkurrierenden Freizeitangeboten bieten und außerdem möglichst einfach zu realisieren sein:
Wer Freiwillige gewinnen will, darf nicht darauf warten, dass die Freiwilligen von sich aus kommen. Im Gegenteil: Organisationen müssen Freiwillige gezielt ansprechen und Angebote so platzieren, dass sie für die Freiwilligen unübersehbar und mit einem möglichst geringen Aufwand verbunden sind.
Tauschnetzwerke im Freiwilligenengagement könnten die Attraktivität des Ehrenamts steigern, — diese Idee entwickelten Martin Horstmann und Brigitte Reiser gemeinsam im Zwiegespräch. Mit dem eignen Engagement — so die Essenz der Idee — werden „Credits“ erarbeitet, die anderen wiederum über freiwilliges Engagement zu Gute kommen. Solche Tauschringe müssten freilich überörtlich und trägerbezogen aufgebaut und orgaisiert werden — „weg vom Raum, hin zu Träger“. Eine zukünftige Aufgabe des Freiwilligenmanagements in überregional präsenten Organisationen?
Katarina Peranic von openTransfer.de ist überzeugt davon, dass die Präsenz des Themas Freiwilligenengagements „in den Medien, analog und digital, eine viel größere Rolle spielen müsste, um Engagement attraktiver zu machen, mentale Hürden abzubauen und Einstiege zu erleichtern.“ Ihr zufolge müssten gemeinnützige Organisationen ihre Budgets für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising stärker bündeln und einen Pool an guten Redner!nnen zum Thema aufbauen, damit das Thema stärker in den Fokus rückt. Aber auch der einzelne Engagierte sollte häufiger Soziale Medien nutzen (können und dürfen), um über das Engagement zu berichten und die damit verbundene Begeisterung in die Öffentlichkeit zu transportieren.
Das Thema ‚Geld‘ schneidet auch Stefan Nährlich in seinem Kommentar an: Er geht davon aus, dass mehr Mittel die Unabhängigkeit von Nonprofits steigern können, weist aber darauf hin, dass diese nicht unbedingt von staatlicher Seite kommen müssen. Im Modell der „Percentage Philanthropy oder 1%-Philanthropie.“ sieht er einen möglichen Weg, Nonprofits mehr Spielraum zu geben, um Engagement attraktiver zu machen:
Steuerzahler können 1-2 Prozent ihrer Einkommensteuer nicht an den Staat, sondern an eine gemeinnützige Organisation ihrer Wahl durch das Finanzamt überweisen lassen. Kein Weg der alle Probleme löst, aber die Finanzierungsbasis vergrößert
Engagement braucht Pluralität — das ist ein erstes Fazit, das Brigitte in ihrem Beitrag aus den eingegangenen Beiträgen zieht. So vielfältig, wie die Motive und Wünsche der Freiwilligen sind, so vielfältig sollten auch die organisationalen Kontexte sein, in denen freiwilliges Engagement stattfindet. Bezogen auf das Bürgerengagement dominiert in Nonprofits zumeist das Dienstleistungs- und Arbeitsplatzmodell. Diese Form des „Engagement als Beschäftigung“ kann unserer Gesellschaft meines Erachtens nicht das Sozialkapital und den Mehrwert verschaffen, den sie sich davon erhofft. Es kommt also „auf das Wie des freiwilligen Engagements an!“: Statt nur Dienstleistungen zu erbringen, ist Mitwirkung angesagt. Dies könnte auch das Band zwischen Organisationen und ihrer Basis verstärken. Um diese wirkmächtige Mitwirkung freiwillig Engaggierter realisieren zu können, bringt Brigitte mit dem Co-Working- und Aktivismus-Modell alternative Paradigma für das Freiwilligenmanagements ins Spiel.
Fazit und Ausblick
Freiwilliges Engagement attraktiver machen — als Erkenntnis aus der NPO-Blogparade können wir mitnehmen, dass eine gemeinnützige Organisation, wie auch die lokalen Freiwilligenagenturen, an vielen Stellschrauben und Angeboten arbeiten müssen, wenn sie mehr Bürger!nnen für ein freiwilliges Engagement gewinnen möchten. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich und schade, dass das Freiwilligenmanagement in unserem Land diese Pluralität der Zugänge nicht bietet, sondern allein vom Workplace-Paradigma — der Vorstellung vom „Engagements als Beschäftigung“ — dominiert wird.
Kein anderer Ansatz konnte sich bisher in der Praxis durchsetzen. Das Workplace-Paradigma wird Tag für Tag in zahllosen Einrichtungen und Kommunen im Freiwilligenmanagement umgesetzt und wir fragen uns, ob im Moment überhaupt konkurrierende Ansätze entwickelt werden, die mehr Pluralität bieten. Welche Forschungsinstitute und welche Organisationen arbeiten überhaupt an mehr Vielfalt im Freiwilligenmanagement? Die Vielfalt der Zugänge, die eigentlich im Fokus von Nonprofits stehen sollten, die freiwilliges Engagement attraktiv machen wollen, steht offensichtlich eher am Rand.
Vielleicht kann die Skizzierung eines neuen Freiwilligenmanagements das Thema einer der nächsten NPO-Blogparaden sein…. Vorerst aber danken wir allen herzlich, die an dieser Blogparade mitgewirkt und ihr Wissen und ihre Ideen beigesteuert haben. Um unsere Ideen, wie sich freiwilliges Engagement attraktiver gestalten lässt, noch in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen, wollen wir die Ergebnisse dieser Blogparade noch in einen Fachartikel packen und in einem der üblichen Kanäle der Szene platzieren. Mitwirkende aus dieser Runde sind dafür herzlich willkommen.
Der Twichat zur Blogparade (#npochat) findet am kommenden Dienstag den 15. Oktober von 11 bis 12 Uhr statt. Bis dahin gibt es vielleicht noch neue Antworten auf die Frage, wie freiwilliges Engagement attraktiver gemacht werden kann. Eure Ideen sind natürlich weiterhin willkommen. Gern hier in den Kommentaren oder als eigener Artikel mit Trackback zu dieser Auswertung.