Der Zukunftsreport 2018 des Frankfurter Zukunftsinstituts regt an, sich mit gesellschaftlichen Trends und Entwicklungen zu beschäftigen. Den Ausgangpunkt bildet einer der ganz großen Begriffe unserer Zeit: „Resonanz“
Jedes Jahr gibt das Frankfurter Zukunftsinstitut einen Report heraus, in dem aktuelle gesellschaftliche Trends dargestellt und mögliche Zukunftsszenarien entworfen werden. Der zuletzt erschienene „Zukunftsreport 2018“ steht unter einem der ganz großen Begriffe unserer Zeit: „Resonanz“. Der Herausgeber Matthias Horx stellt damit die Frage in den Raum, wie wir den Hysterien unserer hypervernetzten und -beschleunigten Zeit entgegentreten.
Ich habe den Zukunftsreport 2018 mit großem Interesse gelesen. Auch oder gerade weil ich nicht mit allem, was darin zu lesen ist, einverstanden bin, empfand ich die Lektüre als äußerst anregend. Denen also, die Impulse in Sachen gesellschaftliche Trends und Innovationen suchen, kann ich den Report nur ans Herz legen. Wer vorher dazu noch ein paar weitere Einschätzungen von mir haben möchte, kann hier gern weiterlesen.
Prognosen sind schwierig …
Dass Prognosen über die Zukunft schwierig sind, wird gern mit dem Rückblick auf Voraussagen bewiesen, die nicht eingetreten sind. Prominentestes Beispiel ist wohl Kaiser Wilhelm II., der 1900 glaubte, dass das Automobil nur eine vorübergehende Erscheinung sei. Ein anderes Zitat aus derselben Zeit stammt von Gottlieb Daimler, der voraussagte, dass die Zahl der Kraftfahrzeuge auf den Straßen eine Million nicht überschreiten wird – „allein schon aus Mangel an Chauffeuren.“
So schwierig und häufig unzutreffend Prognosen rückblickend aber auch sein mögen, so wichtig sind sie für uns, wenn wir unsere Zukunft gestalten wollen. Nicht, weil wir wissen müssen (oder könnten), was wann wie genau passieren wird, sondern weil wir wissen sollten, in welche Richtung sich Trends entwickeln. So können wir ermessen, welche Auswirkung sie auf uns und unsere Arbeit haben werden. Dafür müssen wir lernen, Prognosen richtig zu lesen und zum Beispiel zu fragen, warum das ‚Orakel‘ zu eben dieser Einschätzung kommt und nicht zu einer anderen.
Kaiser Wilhelm II. glaubte schlicht an das Pferd. Und weil um die vorletzte Jahrhundertwende das Vertrauen der Deutschen in die Obrigkeit recht groß war, glaubten viele dem Kaiser. Als 100 Jahre später der Zukunftsforscher Matthias Horx voraussagte, dass das Internet kein Massenmedium werden wird, galten natürlich andere Regeln. Rückblickend allerdings gab auch diese Prognose eine gesellschaftlich weit verbreitete – und deshalb sehr wirksame – Annahme der frühen 2000er Jahre wieder: ‚Der Dot-Com-Crash hat dem Hype den Garaus gemacht, wir müssen uns mit dem Internet nicht weiter beschäftigen.‘
Heute ist die Digitalisierung ein Megatrend unserer Gesellschaft und Matthias Horx warnt, dass es damit übertrieben wird. Im Interview zum Zukunftsreport 2018 sagt er voraus, dass die Big Five der Plattformökonomie (Google, Apple, Microsoft, Amazon und Facebook) in den nächsten Jahren in die Krise geraten werden, weil sich gesellschaftliche Gegenbewegungen Bahn brechen. Die Wandlungsfähigkeit global agierender Konzerne kann er dabei nicht einkalkulieren und liegt mit seiner Voraussage deshalb sehr wahrscheinlich daneben. Allerdings entspricht diese Prognose der auch in Deutschland aufkeimenden Einsicht, dass es für ein gutes Leben alternative Lebens- und Gesellschaftsentwürfe geben muss – abseits ökonomischer Zweckdienlichkeit und der Hyperbeschleunigung für ein immer weiter steigendes Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Sehnsucht nach Resonanz …
Die Ausführungen der Autorinnen und Autoren des Zukunftsreports 2018 weisen im Kern auf die menschliche Sehnsucht nach Resonanz hin, die in Zeiten krankmachender Beschleunigung ein Quell für Gegenbewegungen aller Art sein kann: digitale Auszeiten („Sabaticals“), regionales „Slow Food“ und selbst gebrautes „Craft Beer“ – um nur einige zu nennen.
Befunde aus dem Zukunftsreport wie die der „Antigravitation“ – eine Art Neuauflage der Blumenberg‘schen Methapher des „Schiffbruchs mit Zuschauern“ – oder Entwürfe neuer Tugenden wie die der „progressiven Dankbarkeit“, der „aktiven Gelassenheit“ und des „lustvollen Verzichts“ mögen einigermaßen befremdlich wirken, könnten sich als Neukombinationen („Mashups“) aber durchaus zu wirksamen „Resonanzwerkzeuge“ entwickeln.
Ab hier geht es im Zukunftsreport 2018 natürlich um Entwürfe einer mögliche Zukunft. Eine Zukunft, die sich durch „Crack Signals“ – vielleicht gut zu übersetzen mit „Sollbruchstellen“ – ankündigen könnte. Und insofern der Konjunktiv an dieser Stelle sehr zentral wird, sind Entwürfe und Utopien wie „Elektropia“, „Smart-Gott“, „Neuropa en marche“ oder „Mind:Sports“ – gleichwohl die Kapitel dazu schön zu lesen sind – äußerst spekulativ.
Die gute Nachricht …
Die Befunde und Prognosen, Entwürfe und Utopien aus dem Zukunftsreport 2018 regen zu Überlegungen an, wie die Zukunft in der DRK-Wohlfahrt wohl aussehen könnte. Vor wilden Spekulationen und voreiligen Schlüssen sei aber gewarnt! Die gesellschaftliche Gegenbewegung, von der Matthias Horx im Vorwort schreibt, führen nicht zurück zum Status Quo. Wenn überhaupt wirken sie in einigen hochbeschleunigten Bereichen der Gesellschaft – zu denen die Wohlfahrtspflege eher nicht zählt – entschleunigend.
Das lässt hoffen, denn der Jenaer Zeitforscher Hartmut Rosa, mit dem die Begriffe „Beschleunigung“ und „Resonanz“ wie mit kaum jemandem sonst verbunden sind, macht die zunehmende Desynchronisation unterschiedlich schnell beschleunigender Gesellschaftsbereiche als eins der wesentlichen Probleme moderner Gesellschaften aus. Durch die partielle gesellschaftliche Entschleunigung könnte die Wohlfahrtspflege also die Chance bekommen, etwas aufzuholen. Eine gute Nachricht.
[…] schwierig und häufig unzutreffend sind, trotzdem aber ihren Wert haben, hatte ich schon in meiner Rezension zum Zukunftsreport 2018 geschrieben: Wir können nicht wissen, was die Zukunft genau bringt. Die Beschäftigung mit […]