Reklame in Sozialen Medien – 4 Tipps zum Mitmischen

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Die Zeit ‚zwischen den Jahren‘ mag ich gern. Es ist eine Auszeit, in der ich nach Lust und Laune schmökern kann. Eine Zeit, in der ich mir auch mittelgute Bücher reinziehen kann – Bücher wie „Influencer“ von Ole Nymoen und Wolfgang M. Schmitt zum Beispiel. Wozu? Weil es mir Spaß macht. Es bereitet mir Freude, aus den Darstellungen meine eigenen Schlüsse zu ziehen. Schlüsse, die mithin überhaupt nichts mit dem zu tun haben, was die Autoren sagen wollen.

Was daraus erwächst ist keine sonderlich fundierte Kritik und das soll es auch nicht sein. Es ist nichts weiter als eine Sammlung eigener Gedanken dazu und Stoff für Blogposts wie diesen.

Trends & Challenges – Orientierung auf dem Abenteuerspielplatz

Social-Media-Kanäle sind keine Litfaßsäulen. Soviel sollte eigentlich klar sein! Und auch wenn der ‚Highway‘ eine vielbemühte Metapher ist: Das Internet ist auch keine Datenautobahn, auf der die Zielgruppen hin und her rasen, um sich die Reklame am Straßenrand anzusehen. Das gilt ganz besonders, wenn es um junge Zielgruppen geht, mit denen ich mich seit einiger Zeit auf TikTok beschäftige.

Ein brauchbareres Bild für Soziale Medien ist für mich der Abenteuerspielplatz. Ein Ort an dem sich verschiedene Gruppen tummeln: Hier die Beautys, die sich gegenseitig schminken, dort die Poser, die sich beim Sport gegenseitig pushen und da die DIYs, die sich gegenseitig die neusten Bastel-, Koch- und Backtipps zeigen. In den Ecken stehen auch ein paar kleine Grüppchen rum. Die einen reden über Technik, Forschung und Wissenschaft, die anderen über Management, Politik und Gesellschaft. Und irgendwo mittendrin irrlichtern auch ein paar verwirrte Geister mit Pappschildern umher. Pappschilder auf denen steht, was im ‚echten Leben‘ so abgeht. Keinen juckts!

Und wie das immer so ist in Gruppen, tun sich einige hervor und andere machen einfach mit. Die lautesten Schreihälse sind dabei oft nicht die hellsten Kerzen auf der Torte, schaffen aber eine gewisse Ordnung: Bei Spielchen wie „iPhone zerstören“ oder „alles kaufen, was pink ist“ machen sie vor, wie es richtig geht. Sie lassen sich dabei auch nicht von den Pappschildträgern ablenken, die mit Vorschlägen für sinnvollere Tätigkeiten dazwischen plappern. Darum geht es schließlich nicht. Es geht einfach darum, auf dem Spielplatz eine gute Zeit zu haben.

Von diesen Spielchen gibt es durchaus auch ernstere: „Skinny Check!“ zum Beispiel oder „Blackout Challenge“. Diese ‚Challenges‘ werden von den Vortänzern üblicher Weise mit einem speziellen Schlagwort markiert. Diese Hashtags sind dabei so etwas wie die Staubpartikel, um die sich Schneeflocken bilden: Etwas, an das sich andocken lässt, das aber nur lose Vorgaben für Form und Inhalt macht und dennoch eigentümliche Gleichförmigkeit produziert. Wieder ein bisschen mehr Ordnung im Chaos.

Der Soundtrack zum Spiel ist in aller Regel Pop – simple Beats, eher heiter und inhaltlich nur mäßig tiefschürfend. Sounds zum Mitsingen und -klatschen eben! Das Material dafür kommt meist von den üblichen Verdächtigen: Musikproduzenten, die schon lange verstanden haben, wie Trends funktionieren und dass 2021 zum Beispiel alte Seemannslieder eine sichere Bank waren – Aloha Heja je! Genau wie die Schreihälse und Vortänzer schaffen auch sie also ein bisschen mehr Ordnung.

Doch nicht nur Musik trendet! Auch Tanzchoreographien und -stile, Fotomotive und Videotransitions kommen in und wieder aus der Mode. Was zum Beispiel früher (2012/13) mal der „Harlem Shake“ oder „Gangnam Style“ war, sind heute „Bananza“, „Renegade“, „Cannibal“, „Can’t Touch This“ und einige andere mehr. Was den Trend von der Challenge unterscheidet? Beim Trend geht es mehr ums akkurate Nach- statt kreative Mitmachen. Es geht um den eigenen Stil, den Flow und das hübsche Lächeln dabei. Wirklich gut, wenn jeder weiß, was er zu tun hat.

Content & Community – 4 Tipps zum Mitmischen

Wer auf diesem Abenteuerspielplatz mitmischen will, um vielleicht auch ernstere Themen zu platzieren, tut gut daran, einige grundlegende Prinzipien zu beherzigen. Ich meine natürlich die Mem-Kommunikation und die virale Verbreitung von Inhalten. Beides keine Raketenwissenschaft aber kulturell und politisch durchaus wirksam, wie Limor Schifmann und – im Anschluss an sie – auch Dirk von Gehlen zeigen. Und auch mit den drei Grundformen der Digitalität sollte man zumindest einmal kurz beschäftigt haben, um das treiben auf dem Abenteuerspielplatz wirklich zu verstehen. Einen guten Einstieg dazu gibt es bei Felix Stalder.

An dieser Stelle schließe ich mal die Liste von Dingen, die man bei Nymoen und Schmitt vergeblich sucht. Sinnvoller finde ich sowieso, die Gedanken, die mir beim Lesen so kamen, in ein paar Tipps zum Mitmischen zu gießen. Also los geht’s

(1) Authentisch sein – finde deinen Fokus

Authentizität soll „Echtheit im Sinne der Ursprünglichkeit“ bezeichnen. Meint also, dass das was gesagt, geschrieben oder gezeigt wird nicht plötzlich aus der Kalten kommt. Man könnte auch sagen: Authentizität macht berechenbar! Auf dem chaotischen Abenteuerspielplatz keine ganz schlechte Idee. Deine Inhalte sind so einfacher (‚im Vorbeigehen‘) zu konsumieren und auch für Algorithmen ist Berechenbarkeit natürlich besser als ein Kessel Bundes.

Um authentisch rüberzukommen, solltest du deinen Fokus finden. Gemeint ist nicht irgendein Zen-Mode, sondern der Fokus deiner Geschichte. Was willst du aus deinem Leben – oder dem, was andere dafür halten sollen – erzählen? Wer ist der Erzähler? Wer ist der Held? Was ist der zentrale Konflikt? Story-Telling ist dafür eine mächtige Methode! Aber: (a) Es geht weniger darum, Märchen zu erzählen als eine eigene Realität zu scripten. Es geht weniger um Dramen als um Seifenopern und Daily Soaps. Und (b) geht es auch nicht darum, einzelne Inhalte in Geschichten zu verpacken. Das wäre dann ja auch nur wieder der Kessel Buntes. Es geht um dich als „Werbekörper“; um deinen (Personal) Brand.

(2) Kompetenter sein – definiere deine USP

Kompetenzen fasse ich gern ganz einfach als Dreiklang aus Wissen, Können und Wollen zusammen. Man könnte jetzt auch noch Dürfen und Machen dazuzählen, das würde die Sache aber unnötig verkomplizieren. Dürfen steckt ja schon in Können und Machen in Wollen. Worum es geht: Um etwas quasi-technisches, das man sich aneignen und anhand dessen man sich miteinander vergleichen kann. Wie gesagt: Ordnung ist wichtig und „besser“ und „schlechter“ sind eingängige Ordnungsmuster.

Um seine eigene USP (Unique Selling Proposition) zu definieren, ist zuerst der breite Blick auf die Zielgruppen wichtig. Zielgruppen übrigens, die nicht irgendwie als ‘Menschen die es interessiert’, sondern am besten anhand konkreter soziodemographischer Merkmale definiert werden sollten: Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund etc. Wobei wären diese Menschen gern so gut wie du? Was hätten sie gern, das du hast? (Marktforschungsinstitute wie zum Beispiel SINUS bieten da gute Quellen.)

Den Trick bei der aktiven Community-Arbeit übrigens sehe ich darin, nur ein bisschen besser zu sein – meint immer in Reichweite zu bleiben. Wer sich als der Überschlaue und unerreichbar Beste gibt, sammelt vielleicht viele Fans, bekommt die aber nur mühsam aus dem Konsum heraus ins Mit- und Nachmachen, bindet sie nur lose und verliert sie entsprechend schnell, wenn einer kommt, der es halt besser kann.

(3) Inhalte überwinden – Vorbilder für deine Content-Strategie

Dass jeder Fetzen Inhalt für sich genommen nützlich sein muss, ist ein Gerücht. Vielmehr erzählen Inhalte, die natürlich gern auch nützlich sein dürfen, eine Geschichte. Worum geht es? Wer ist der Held? Was ist der Konflikt, auf den es hinausläuft? Um mit dieser Erzählung andere zum Mit- und Nachmachen anzustiften, gilt es, Inhalte zu überwinden – heißt, die Story in den Vorder- und die Botschaft in den Hintergrund zu rücken. Ganz ähnlich wie in der Politik lässt sich so auch gut kaschieren, wenn man eigentlich gar keine eigenen Inhalte hat.

In Hollywood Blockbustern wie zum Beispiel „James Bond 007“ oder Filmen wie die „Truman-Show“ kann man sich da einiges abschauen. Die Kunst besteht hier im Product Placement: Eine recht flache Story wird kurzweilig präsentiert, um auf dem Weg durch die Geschichte immer wieder Reklametafeln mit den wesentlichen Botschaften aufzustellen: „Kaufen Sie einen Audi“; „Machen Sie Urlaub in der Südsee“; „Tragen Sie Armani“ und so weiter.

Je nach dem, für welche Botschaften deine Story gemacht ist, kann auf den Reklametafeln natürlich auch etwas anderes stehen: „Spendet Geld!“; „Unterzeichnet diese Petition!“; „Bleibt zu Hause und lasst euch impfen.“ Wichtig ist, dass es authentisch rüberkommt und in den Kontext einer Geschichte eingebunden ist, die möglichst viele interessiert. Alles andere ist nur Werbepause.

(4) Fragen stellen – simuliere Augenhöhe

Im Gegensatz zum Fernsehen und Kino bieten Soziale Medien einen direkten Rückkanal. Der taugt natürlich auch für echte Partizipation. Die allerdings gefährdet die Hoheit über die zentrale Erzählung. Um sich also darauf nicht einlassen zu müssen, werden Kommentare oft in weniger bedenkliche Richtungen kanalisiert: „Nutella mit oder ohne Butter?“; „Team Milch oder Kaffeesahne?“; „iPhone oder Android?“

Wieder muss die konkrete Aktion in greifbarer Nähe sein. Komplexe Themen und schwierige Fragestellungen taugen dazu nicht. Leg die Latte nicht zu hoch! In aller Regel verwenden User nur einige wenige Sekunden auf deinen Content und der nächste Klick ist immer nah. Wozu das trotzdem gut ist? Einerseits rankt Content mit Kommentaren höher als ohne, andererseits etablieren Kommentare wieder einen Rückkanal. Dieser Rückkanal ist für den Auf- und Ausbau der Community besonders nützlich. Einfach mal losziehen und random einzelne Inhalte der eigenen Fans und Follower liken hilft schon.

Wer das jetzt ganz schrecklich verlogen findet, kann sich trösten. Zum einen zahlt es auf das Ziel aller Beteiligten ein, auf dem Spielplatz eine gute Zeit zu haben. Zum anderen gilt: „Fake it until you make it!“ Wenn es wirklich einmal darum geht, Antworten auf schwierige und komplexe Fragen zu bearbeiten, wird man in einer aktiven Community eher willige Mitstreiter finden als anderswo.

Was bleibt – eine gute Zeit auf dem Spielplatz

Mit einiger Sicherheit könnte man die vier Tipps noch um viele weitere ergänzen. Es würde sich zum Beispiel lohnen, über die richtigen Benchmarks nachzudenken oder zu überlegen, wie sich größere Veränderungsprozesse (z.B. Rebrandings) in kleineren Quests darstellen lassen. Und auch technische Tricks und Kniffe gehören dazu. Das lasse ich an dieser Stelle aber bleiben. Sicher wurden dazu schon genügend Bücher geschrieben. Kennst du eins? Schreib’s in die Kommentare!

Wichtig ist mir allerdings, dass der ganze Unsinn nicht zu ernst genommen wird. Es geht um nicht mehr als den Spaß bei der Sache und eine gute Zeit auf dem Spielplatz – einem Ort an dem sich die Regeln des Miteinanders auch ganz schnell ändern können.

Was nach meinem Dafürhalten bleibt ist die Suche nach Orientierung. In Ermangelung brauchbarer Alternativen wird die aktuell vor allem von kommerziellen Playern organisiert. Player, die kein gesteigertes Interesse an der Auflösung überkommener Geschlechterrollen oder Körperbilder haben und für die auch Demokratie oder Klimaschutz keine sonderlich wichtigen Themen sind. Für diesen Status Quo allerdings „Influencer“ zu bashen, wie es Nymoen und Schmitt tun, halte ich für nicht sonderlich schlau. Besser wäre es, sich an die eigene Nase zu packen.

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