Waltaud und Gerd Placke zum Praxiskompendium "Management von Online-Volunteers"

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Waltraud Placke, die die meines Wissens erste deutsche Diplomarbeit zum Thema Online-Volunteering hier in Berlin schrieb und Dr. Gerd Placke, seinerseits Manager des Projektes “Corporate Social Responsibility” der Bertelsmann Stiftung, haben sich das Praxiskompendium zum Management von Online-Volunteers angeschaut und ihre Rezension heute geschickt. Gern veröffentliche ich sie hier im Volltext.
Von der allgemeinen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, gibt es in den letzten Jahren einen erstaunlichen Wandel innerhalb des bürgerschaftlichen Engagements. Neue Aktivitäten und Engagementformen entstehen – vielfach abseits der wohlfahrtsverbandlichen Strukturen. Neue gesellschaftliche Herausforderungen sind durch moderne Engagementansätze zu meistern, auf die die offizielle Politik (vor allem das Familienministeriums der Bundesregierung) keine adäquaten Antworten findet, weil mit deren alten Instrumenten und Vorgehensweisen eben keine neue Vernetzung gelingen kann.
Besonders betrifft dies ein Thema, das in der Bundesrepublik abseits der allgemeinen Rhetorik ebenso kaum jemand erkannt hat: Wie verändert sich das bürgerschaftliche Engagement, wenn die neuen Medien in Bälde von jedermann so selbstverständlich bedient werden, wie in den letzten dreißig Jahren die Fernbedienung des Fernsehers? Auf der analytischen Ebene ist schon jetzt zu konstatieren, dass der viel beschworene „Strukturwandel des Ehrenamts“ (Beher/Liebig/Rauschenbach 2000) eine neue Dichte erreicht und Online-Volunteering damit letztlich mehr als ein „Trend“ ist, wie Thomas Kegel in seinem Vorwort zu der Broschüre schreibt. Denn während man bislang freiwilliges Engagement stets als das direkte Gegenüber von aktiven Unterstützern und Menschen resp. Organisationen mit Unterstützungsbedarf verstand, wird immer deutlicher, dass das Internet den Unterstützungsmöglichkeiten eine neue Dimension hinzufügt: Die Unterstützung ohne direkten physischen Kontakt – ja bisweilen ohne sich überhaupt kennenzulernen. Das Internet ermöglicht die örtliche Entgrenzung des Engagements: Beispielsweise könnten Menschen aus Mexiko anonym einer Organisation aus Bad Kissingen eine Übersetzung eines Textes ins Spanische liefern. Ein intensiveres Nachdenken über ein solches Phänomen, das heute im Internet täglich unzählige Male bereits passiert, verdeutlicht, wie komplex ein Management sich darstellt, dass sich diese globale Ressource systematisch zu Nutze machen will.
Die Autoren des Handbuchs „Management von Online-Volunteers“ leisten in dieser Hinsicht Pionierarbeit für den deutschen Sprachraum. Mit dieser Publikation liegt die erste hiesige Veröffentlichung vor, die ausführlicher darlegt, wie man Freiwillige für die Tätigkeiten im Netz gewinnen kann, ihnen interessante Aufgaben gibt, systematisch begleitet und vor allen Dingen seine eigene Organisation gezielt auf diese Arbeit vorbereitet. In einem besonderen Kapitel wird auf barrierefreies Online-Engagement eingegangen: Wie kann man so niederschwellig wie eben möglich nicht mobile Menschen, für die in manchen Fällen Online-Engagement die einzige Möglichkeit darstellt, kein Objekt sondern Subjekt von Engagement zu sein, einbeziehen.
Diese Veröffentlichung ist also sehr verdienstvoll. Ohne diese Dimension direkt anzusprechen, ist sie der Anfang zu ausführlicheren Studien, wie sich der Organisationswandel im Wohlfahrtssektor weiter zu vollziehen hat, will er nicht abgehängt werden von gesellschaftlichen Entwicklungen. Denn eines ist klar, Nichtregierungsorganisationen sind schon lange auf dem Weg Social Media Instrumente in die tägliche Arbeit zu integrieren. Leider scheint den Wohlfahrtsverbänden immer mehr der innovative Impuls abhanden gekommen zu sein, sonst müssten sie eigentlich im Internet aktiver sein. Aber sie überlassen das Feld solchen Menschen wie Hannes Jähnert, Lisa Dittrich und wenigen anderen, die leider (noch) keine Durchschlagskraft haben. Auf diese Weise werden sich viele Verantwortlichen nicht vor Augen führen können, dass sich das Freiwilligenmangement bereits auf den Weg von einem partnerschaftlichen zu einem partizipativen Management begeben hat und dabei die bisherigen Maßgaben des fairen Umgangs mit aktiven Menschen transzendiert. Wenn es denn so kommen sollte, dass Organisationen ihren Freiwilligen immer mehr ermöglichen müssen „Ihr eigenes Ding zu machen“, dann müssen sich letztlich nicht die Freiwilligen an die Vorgaben der Organisationen halten, sondern umgekehrt die Organisationen ihr Interesse auf eine Weise modellieren, dass es mit den partizipativen Ambitionen der Aktiven übereinstimmt. Dann ist eine Wohlfahrtsorganisation nicht mehr als ein Stützpunkt für Engagement: Facebook macht dies uns bereits jetzt vor, denn vermutlich ist Facebook schon heute die größte Engagement-Plattform Deutschlands.

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