OpenTransfer und Nonprofit-Vernetzt fragen in der aktuellen NPO-Blogparade wie man noch mehr Menschen in Deutschland für Patenschaften begeistern kann und wie es gelingt, Patenschaftsprojekte groß zu machen. Als ehemaliger Koordinator des Patenschaftprogramms beim DRK durfte ich ein Projekt begleiten, bei dem wir zusammen mit The Changer das Patenschaftsprogramm des Deutschen Roten Kreuzes vorgestellt haben. Davon möchte ich gern berichten.
Neue Zusammenarbeit
Mit dem Patenschaftsprogramm „Menschen stärken Menschen“ sollte die spontane Hilfsbereitschaft tausender Menschen in möglichst dauerhaftes Engagement überführt werden, erklärte Elke Ferner, parlamentarische Staatssekretärin im BMFSFJ, den Mitgliedern des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement Mitte April 2016.[i] Und in der Tat, zahlreiche Engagierte, die noch nie zuvor mit Verbänden der deutschen Wohlfahrtspflege in Kontakt gekommen sind, haben sich genau hier engagiert.
Diese ’neue Zusammenarbeit‘ fand nicht nur auf der praktischen Ebene der Träger und Projekte statt. Auch auf koordinierender Ebene tauchten neue Player auf. Bei uns The Changer, eine Job-Plattform für Young Professionals mit Interesse an sozialen Themen, mit denen wir ein Medienprojekt starteten. Unter dem Hashtag #eyjaan potraitierten die Kolleginnen und Kollegen um Naomi Ryland eine Patenschaftsgruppe aus unserem Trägerkreis und machten das DRK als Akteur im sozialen Bereich in ihrer Community sichtbar.
#EYJAAN
Als wir uns mit Naomi Mitte 2016 trafen und die Medienpartnerschaft vereinbarten, war es ein Experiment. Üblicher Weise werden Projekte der DRK-Wohlfahrtspflege nur selten in den Sozialen Medien dargestellt. Dass nun einmal ein konkretes Projekt aus dem DRK aufgegriffen und als sechsteilige Geschichte aufbereitet werden sollte, war neu. Würde sich einer unserer Träger darauf einlassen? Wie ist das dann mit den Drehgenehmigungen, wie mit den Freigabeschleifen? Praktische Fragen, die, weil nicht allgemein geklärt, sicherlich eine der wesentlichen Hürden für solche Projekte sind.
Nun lassen sich diese Fragen aber nicht allgemein klären, weshalb wir uns ‚freihändig‘ auf die Suche nach einem geeigneten Projekt begeben haben. Gefunden haben wir den Trupp in Bad Homburg: Eine junge Ehrenamtskoordinatorin, eine willige Einrichtungsleitung, eine Crew aus zwei Patinnen und sechs Geflüchteten mit erzählenswerten Geschichten und ein Kreisverband mit genügend Humor. Beste Voraussetzungen also! Es konnte losgehen.
Nach einigen Absprachen und ersten Skype-Gesprächen mit den Engagierten, flatterte der erste Textentwurf im Spätsommer in mein Postfach. Die Frage der Autorin: „Können wir das so machen?“ Ein bisschen Unsicherheit; beiderseits. Der Text las sich ein bisschen hakelig, stellenweise ziemlich kitschig. Er erinnerte mich schwer an die BILD. Definitiv nichts, was ich auf Arbeit sonst so zu lesen bekomme! Aber genauso war das ja auch gewollt: andere Zielgruppe, andere Sprache. Meine Antwort also: „Klar!“ mit der Ergänzung: „Die Freigabeschleife folgt dann aber noch!“ Nur so zur Sicherheit.
In den darauffolgenden Monaten wurde die Zusammenarbeit immer fluffiger und die einzelnen Teile der Reihe fanden nach und nach ihren Weg in den Community-Bereich von The Changer. Mein Favorit „Über Freiwillige und Geflüchtete“, in dem die Mitarbeitenden des DRK vor Ort zu Wort kamen, war Anfang November dran. Und kurz vor Weihnachten kam dann das ‚Staffelfinale‘ „Aus Patenschaft wird Freundschaft“, in dem die Geschichte noch einmal im Video-Format zusammengefasst wurde.
Alles in allem also eine runde Sache. Ein gutes Ergebnis und viel, was wir daraus lernen können.
So geht Integration
Zunächst natürlich die Engagierten: Im Patenschaftsprogramm sollen Engagierte und Geflüchtete zusammenfinden und voneinander lernen (Integration). Mit punktuellem Engagement einzelner Initiativen, die im (medialen) Hoch der Flüchtlingswelle eine inspirierende Willkommenskultur erzeugten, ist das kaum zu leisen. Mit den Strukturen der deutschen Wohlfahrtspflege schon. Auch hier haben sich viele Menschen im positivsten Sinne ‚anstecken‘ lassen. Gemalt haben das positive Bild der Deutschen in der so genannten ‚Flüchtlingskrise‘ aber kleinere Initiativen engagierter Bürgerinnen und Bürger. Die Gruppe aus Bad Homburg zeigt, dass beides zusammen geht: Eigene Initiative und viel Engagement unterstützt durch professionelle Begleitung unter dem Dach eines Wohlfahrtsverbandes mit bewährten Strukturen und einiger Tradition.
Dann die eigenen Bedenken: Medienkooperationen bieten die Möglichkeit, Inhalte für Zielgruppen aufzubereiten, die man sonst nicht erreicht. Das geht über die einfache Beauftragung einer Schreibkraft weit hinaus und reicht bis an den Rand dessen, was man als Kontrollverlust empfinden kann. Vor der ersten Freigabeschleife im DRK-Generalsekretariat zumindest kam es mir so vor. In der Tat gab ich den ersten Text nur mit einem ordentlichen Vermerk in den Umlauf, in dem ich noch einmal an das Ziel des Projektes erinnerte und die besondere Schreibe damit zu rechtfertigen suchte. Nach der kurzen Rückmeldung, dass das so in Ordnung gehe, fielen die nächsten Freigaben wesentlich leichter.
Und schließlich das gemeinsame Lernen: Die ’neue Zusammenarbeit‘ — ob nun als Medienkooperation oder im praktischen Engagement vor Ort — ist für alle Beteiligten vor allem eins: neu. Wer auf der einen Seite noch nie etwas mit dem inneren eines Verbandes zu tun hatte, mag den Kopf über die Freigabe von Blogpostings schütteln und hätte dabei wohl nicht ganz Unrecht. Auf der anderen Seite allerdings sieht es ganz ähnlich aus: Wer in den Sozialen Medien noch nie für mehr als seine ‚echten Freunde‘ in der Kontaktliste hatte, brüskiert sich mithin ob der Oberflächlichkeit und des Umgangstons im Netz und hat auch nicht ganz Unrecht![ii] Wenn es nun also darum geht, aus seiner Blase herauszukommen, braucht es deshalb vor allem Mut, Mut neue Dinge auszuprobieren und von anderen zu lernen. Auch das ist Integration!
tl;dr: Die ’neue Zusammenarbeit‘ birgt großes Potential! Sie muss aber eingeübt werden; gemeinsam!
[i] Protokoll der 22. Sitzung vom 13. April 2016 S. 10
[ii] Social Media muss man leben lernen! Der Kulturschock ist nicht zu vermeiden.